Einen Blick wagen: Das junge Ausstellungsformat „EinBlick“ 

… und eine Giftspur

Kennen Sie unseren Ausstellungsraum? 

Sein Eingang befindet sich direkt im Foyer der Bibliotheca Albertina. Hier zeigt die Universitätsbibliothek Leipzig jährlich mehrere Sonderausstellungen, die mit großem Aufwand, Herz und Engagement entstehen. Wir sind für unsere Ausstellungen schon tief ins Bergwerk mit einem fröhlichen „BUCH AUF!“ abgetaucht, sind Pferden und Menschenaffen begegnet, haben mit dem Lipsi das Tanzbein geschwungen, uns von Zauberbüchern verhexen lassen oder auch schon widerlegt, dass alte Handschriften „Kein Schwein lesen“ könne.

  • EinBlick #4 holte erstmals die Ausstellung ins Foyer der Bibliotheca Albertina mit dem finalen Zug der Partie Penrose/Tal.

Im Jahr 2023 sind wir mit einem neuen Format gestartet, das die großen Sonderausstellungen ergänzt und sich in seinen wechselnden Ausgaben immer wieder neu präsentiert. Der „EinBlick“ setzt ein ausgewähltes Objekt in Szene und stellt dieses kurz – für einen ersten Blick – vor. Das kann ein Buch, eine Handschrift, ein Papyrus, eine Fotografie, eine Landkarte oder auch eine Münze sein. Der eine Blick ist Türöffner und birgt Überraschungen, die auf den „Zweiten Blick“ einladen: Dazu gehören vertiefende Hintergrundinformationen in eigens produzierten Videos, Blogbeiträgen und Veranstaltungen.

Dieser „EinBlick“ funktioniert in beide Richtungen: Die Bibliothek vermittelt Zugang zu ungewöhnlichen Exponaten und Geschichten einerseits, andererseits ändert sich dadurch auch die Arbeit der Mitarbeitenden. Auf Aktuelles kann zügig reagiert oder auch laborhaft mit bisher nie an der UBL ausstellerisch in den Blick genommenen Fragen und Objekten experimentiert werden. Dies funktioniert auch dank der vom Gestaltungsbüro GRUETZNER TRIEBE (Leipzig/Berlin) konzipierten hölzernen, Vitrinen füllenden Lochwand samt Gestaltungstemplates, die mit Zeichenzahl und wiederkehrenden Elementen den Rahmen abstecken. 
Hier haben Kolleg*innen aus ganz unterschiedlichen Bibliotheksbereichen die Möglichkeit, sich mit ihren Arbeitsschwerpunkten oder auch ihren beruflichen Steckenpferden kreativ und zeitgleich fundiert auseinanderzusetzen und in die Form einer Ausstellung zu bringen. Diese richtet sich an ein diverses Publikum – als wichtiger Teil der Wissenschaftskommunikation und unseres Bildungsauftrags als öffentliche Einrichtung.

  • Die Lochplatte wurde vom Holzkombinat Chemnitz für die UB Leipzig maßgefertigt und nutzt den horizontalen als auch den vertikalen Raum.

Ein Blick nach vorn: Was ist dran? Arsen im Bibliotheksbestand

Anfang August 2024 steht nun bereits die fünfte Ausgabe unseres „EinBlick“ in den Startlöchern. Und passender konnte der Anlass nicht sein: 

EinBlick #5: Was ist dran? Arsen im Bibliotheksbestand
03.08.–06.10.2024 im Ausstellungsraum der Bibliotheca Albertina
Täglich geöffnet: 10 bis 18 Uhr
Eintritt frei.

Im Frühjahr sahen wir uns an der Universitätsbibliothek Leipzig mit einem kurzen aber heftigen Medienhype konfrontiert, der das Thema „Arsen im historischen Buchbestand“ in den Mittelpunkt rückte (wir berichteten im Blog). Zeitungen, Radio, Fernsehen und soziale Medien nahmen die „giftige Gefahr“ in historischen Büchern ins Visier. Deutschlandweit reagierten Altbestandsbibliotheken und sperrten teils ganze Bestandsgruppen. Schnell begriffen wir, dass dieses grünschillernde Thema auf großes Interesse stößt und Aufklärung erfordert. Die Idee zu einer Ausstellung war geboren. 

Deshalb starten wir am 3. August mit „EinBlick #5: Was ist dran? Arsen im Bibliotheksbestand“ und tauchen den Ausstellungsraum in der Bibliotheca Albertina in ein leuchtendes Grün.

Wie gelangte das Arsen auf die Bücher, welche Gefahr geht tatsächlich von diesen Büchern aus und warum wurde das Thema gerade jetzt so intensiv diskutiert, obwohl man um die Gefahren des Einsatzes der giftigen Farben schon lange wusste? Buchbinder*innen kannten schon immer die Eigenheiten oder gar Gefahren der Materialien mit denen sie die Schnitte oder Einbände von Büchern gestalten. Besonders die arsenhaltigen Farbpigmente, wie das leuchtend gelbe Auripigment oder auch das sogenannte „Schweinfurter Grün“ wurden gerne zur Buchgestaltung verwendet. Ebenso kamen arsenhaltige Farbstoffe in Tapeten, Stoffen, farbigem Kinderspielzeug und sogar zur Verzierung von Konfekt oder Kuchen zum Einsatz, bis sie schließlich Ende des 19. Jahrhunderts verboten wurden. In der Ausstellung werfen wir einen Blick auf die alte neue Thematik.

Zweiter Blick: Der Arseneffekt – Eine Farbe macht Schlagzeilen. Was ist dran? am 25. September 2024 um 18 Uhr im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina

Ein Blick zurück: Die vier ersten Ausgaben

Die erste der zwei Ausgaben 2023 widmete sich der „Daguerreotypie. Das Licht-Bild wird erfunden“, einer besonderen Kostbarkeit im Bestand der UB Leipzig. Dass ein echter Augenblick mit Licht aufgezeichnet werden kann, war Menschen um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch suspekt. Die erste Licht-Bildnerin Leipzigs, Bertha Wehnert-Beckmann, porträtierte sogar in New York Männer und Frauen aus Politik und Kunst, bevor sie sich endgültig an der Pleiße etablierte.

Es folgte „EinBlick #2: Eine Handschrift aus dem Drucker“ : 2022 wurde der Universitätsbibliothek Leipzig das Fragment einer deutschsprachigen, illustrierten Handschrift des 15. Jahrhunderts zum Verkauf angeboten. Eine genaue Prüfung ergab: Es handelt sich um einen Laserdruck auf künstlich gealtertem Pergament, also eine Fälschung! Als Druckvorlage diente dabei das Digitalisat einer Handschrift der Berner Burgerbibliothek. Die Ausstellung war ein Einblick in neue Möglichkeiten und Gefahren des digitalen Zeitalters.

2024 starteten wir mit dem „EinBlick #3: Словник війни – Wörterbuch des Krieges“. Die dritte Ausgabe ist einem Buch und seinen Übersetzungen gewidmet: Im Krieg verändert sich alles. Auch die Sprache. Die Wörter erhalten andere Bedeutungen. Der ukrainische Autor Ostap Slyvynsky hat Menschen seines Landes Wörter und ihre Geschichten abgelauscht und aufgeschrieben.  Daraus ist ein „Wörterbuch des Krieges“ geworden, in dem es auch um Liebe, Sonne und Hoffnung geht und darum sich zu freuen „um sie zu ärgern“. Die Ausstellung sollte anregen, den Wörtern und Geschichten nachzuspüren. Wir hoffen, eines Tages präsentieren zu können, wie die Wörter sich wieder zurückverwandeln.

Szenenwechsel: Leipzig 1960. Im Ringmessehaus findet die 14. Schacholympiade statt. Nach dem sensationellen Sieg des Engländers Jonathan Penrose über Weltmeister Michail Tal in der Schlussrunde stürmen Zuschauer den Turniersaal und entwenden die Partieformulare beider Spieler. Im Nachlass des damaligen Turnierdirektors Herbert Grätz (1898–1982) an der UB Leipzig findet sich jedenfalls nur noch eine Ersatzaufzeichnung der denkwürdigen Partie durch einen Schiedsrichter. Genau diese haben wir im „EinBlick #4: Leipziger Schacholympiade“ präsentiert. Von den anderen der 1.600 im Wettkampf der Nationen gewechselten Partien bewahrte Grätz ebenfalls die Spieleraufzeichnungen auf. So blieben etwa auch eigenhändige Zettel der Weltmeister Max Euwe, Michail Botwinnik, Wassili Smyslow, Michail Tal, Tigran Petrosjan und Robert (Bobby) Fischer erhalten.

Sammelwut

Übrigens: Unsere EinBlicke kann man im Postkartenformat sammeln und damit vielleicht auch kommenden Generationen die gleichen eindrucksvollen Schlaglichter bieten. Fortsetzung folgt.

Caroline Bergter (UBL)

Caroline Bergter ist Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit an der Universitätsbibliothek Leipzig.

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