Sieben Fragen an… Eman Aly Selim

Restauratorin aus Kairo, die zehn Wochen bei uns in der UB gearbeitet hat

1. Wie kommt man von Kairo nach Leipzig in die Papyrussammlung?

Ich bin direkt in Kairo geboren. Meine Eltern kommen aus einer Stadt in Ägypten, die für ihre Papyri berühmt ist. Deshalb wundert sich eigentlich in Ägypten niemand darüber, dass ich mich damit beschäftige, wenn sie hören, woher meine Eltern eigentlich kommen.

Nach der Schule habe ich an der Universität in Kairo „Alte Europäische Zivilisation“ studiert. Weil ich mich für Papyri interessiert habe, wollte ich lernen, wie man griechische Papyri liest, deshalb habe ich noch einen Master „Papyrus-Editing“ angeschlossen. Beim Arbeiten mit den Originalen ist mir aufgefallen, wie viele Fehler entstehen können, wenn sie von jemandem restauriert werden, der die Textfolge nicht kennt. Deshalb fand ich, das muss verbunden werden: das Lesenkönnen und das Restaurieren. Also habe ich an einem „Conservation Programme“ teilgenommen und noch einen Master in der Restaurierung von Papyri gemacht. Währenddessen war ich u. a. in verschiedenen Orten: in Kairo, in Catania (Italien), in den USA, in der Bibliothek von Alexandria und auch in Berlin.
Über diese Kontakte bin ich schließlich nach Leipzig gekommen. Leipzig hat eine sehr schöne Papyrussammlung und Herr Graf ist sehr nett und hat viel Erfahrung beim Arbeiten mit den Papyri. Ich erhielt während dieser zwei Monate Unterstützung vom Deutschen Archäologischen Institut in Kairo. Als ich noch etwas länger bleiben wollte, ermöglichte das Ägyptische Museum in Leipzig eine Verlängerung meines Aufenthaltes um weitere zwei Wochen.

2. Was haben Sie hier konkret getan, woran haben Sie gearbeitet?

Unsere Arbeit ist es, den Papyrologen einen lesbaren Text vorzulegen.

Am Anfang haben wir die Verglasung einiger Papyri erneuert. Das Glas, das erst als Schutz diente, war einer chemischen Reaktion unterworfen, der Salzkorrosion. Das führte dazu, dass das Glas und dann die Papyri angegriffen wurden. Herr Graf hat dieses Problem untersucht und dann Glas mit einer anderen Qualität, das für die Verglasungen besser geeignet ist, gefunden. So wurden mit der Zeit alle Papyri nach und nach neu verglast. Das ist gleichzeitig eine gute Möglichkeit, noch Korrekturen an der Anordnung der Papyri vorzunehmen: Z. B. könnten Fragmente, die von verschiedenen Papyri stammen, bisher gemeinsam hinter einer Glasplatte aufbewahrt wurden, voneinander getrennt und neu verglast werden. Gleich zu Beginn hat mir Herr Graf gesagt: „Unsere Arbeit ist es, den Papyrologen einen lesbaren Text vorzulegen.“ Das hat mich sehr beeindruckt.

Ich habe hier aber auch an den Ostraka gearbeitet. Jedes Mal, wenn ich in diesen Raum gekommen bin, habe ich mir gedacht, was ist das für eine tolle Sammlung, und es kam der Wunsch in mir auf, selbst einige der Leipziger Ostraka zu publizieren. Ich nahm deswegen Kontakt zu Frau Dr. Märker, der Kustodin der Papyrus- und Ostrakasammlung, auf. Sie trug für insgesamt fünf Ostraka meinen Publikationswunsch in die Datenbank ein und stellte mir die Digitalisate zur Verfügung. So kann ich auch in Ägypten an den Stücken arbeiten.

Neben der Restaurierung von Papyri und Ostraka habe ich mir in der Werkstatt auch die Handschriftenrestaurierung angesehen. Herr Graf zeigte mir alles, so hatte ich einen sehr guten Überblick.

Good morning, my lady!

3. Was ist ihr Lieblingsstück in Leipzig?

Das ist schwer zu sagen, weil ich mit so vielen schönen Dingen zu tun hatte. Aber eigentlich ist es die Maske. Sie ist aus Kartonage gefertigt und wurde auf das Gesicht eines/-r Verstorbenen gelegt. Es war ein kleines Gesicht, also vermutlich ein Kindergesicht, aber es ist nicht klar, ob es ein Mädchen oder ein Junge ist. Sie ist so wunderschön. Sie war eigentlich golden angemalt, dann hat jemand sie mit schwarzer Farbe übermalt. Wir haben nur einen kleinen Teil freigelegt, sodass man die unterschiedlichen Zustände des Exponats erkennen kann. Denn die schwarze Übermalung ist ja auch aus einem bestimmten, vermutlich einem religiösen Grund, vorgenommen worden. Ich dachte vom ersten Moment an, dass es sich um ein Mädchen handelt. Prof. Fischer-Elfert, der die Maske gesehen hatte, sagte: „Erstens: Das ist eine Kindermaske. Zweitens: die eines Mädchens!“

Für diese Maske haben wir eine Box mit einem Glasfenster gebaut, damit sie sicher verwahrt ist und man sie gut betrachten kann. Ich habe auch den Eintrag über diese Maske in der entsprechenden Datenbank ergänzt. Das gehört auch zu unserer Arbeit: wenn wir etwas Neues entdecken, oder Fragen auftauchen, dann tragen wir das auch ein. Ich mag diese Maske sehr, ich habe sie immer „My lady“ genannt. Wenn ich morgens in die Werkstatt gekommen bin, habe ich erst sie erst einmal begrüßt: „Good morning, my lady!“

4. Wie unterscheidet sich die Arbeit von Restauratoren in Deutschland, den USA und Ägypten?

Ich würde sagen, die Arbeit unterscheidet sich auf jeweils andere Weise. Es ist nicht so, dass man es in Ägypten, in Deutschland oder in Michigan vollkommen anders oder ganz genauso macht, dieser oder jener Regel folgend. Es ist das Material, das die Behandlung vorschreibt. Jede Sammlung hat ihre eigenen Bedürfnisse, wir müssen immer wieder neu überlegen und entsprechende Lösungen finden. Es gibt keinen „Krieg“ zwischen den Überzeugungen oder Herangehensweisen.

5. Wie lief die Teamarbeit in einer fremden Fachsprache?

Herr Graf spricht Englisch, das war überhaupt kein Problem, ich habe ihn sehr gut verstanden und er hat mir auch sehr viel erklärt. Wir haben die ganze Zeit während der Arbeit Englisch gesprochen. Nur in den Pausen wurde Deutsch gesprochen. In Kairo habe ich aber auch zwei Jahre Deutsch gelernt. Ich habe eine ungefähre Vorstellung vom Deutschen, so dass das auch nicht weiter schwierig war.

6. Was hat Ihnen während Ihres Aufenthalts hier besonders gefallen?

Ich war hauptsächlich wegen der Arbeit hier und der Kontakt mit den Kolleginnen und Kollegen war mir das Wichtigste. Es war sehr schön, auf so viel Wissen zu treffen, mit so vielen interessierten Menschen und an so tollen Objekten arbeiten zu können. Das werde ich vermissen, die Arbeit im Team. Es hat mir so viel Freude gemacht.

Ich als Ägypterin fahre mit einem Deutschen in eine deutsche Stadt, um ägyptischen Papyrus aus Ägypten zu kaufen.

7. Fanden Sie auch etwas komisch oder seltsam hier?

Ja, einmal war es komisch, als Herr Graf in der Pause ungebratenes Fleisch auf den Tisch stellte. Da habe ich mich schon gewundert, warum er das nicht gekocht oder gebraten hat. Aber er hat gelacht und gesagt, dass man das so isst (Anm. der Interviewerin: vermutlich handelte es sich um Mett oder Schabefleisch).

Und einmal waren wir modernen Papyrus, also das Schreibmaterial, kaufen: Ich als Ägypterin fahre mit einem Deutschen in eine deutsche Stadt, um ägyptischen Papyrus aus Ägypten zu kaufen. Das war schon lustig.

Frau Eman Aly Selim, wir danken Ihnen sehr herzlich für dieses Interview!

Die Fragen stellten Sophia Manns-Süßbrich und Katrin Sturm.
D
as Interview wurde auf Englisch geführt und ins Deutsche übersetzt. Daraus ist dieses komprimierte Transkript entstanden.

Sophia Manns-Süßbrich (UBL)

Dr. Sophia Manns-Süßbrich ist Fachreferentin für Amerikanistik, Anglistik und Slavistik an der Universitätsbibliothek Leipzig.

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