Vortrag über Verdienste und Konflikte des Nobelpreisträgers am 7. November
Beitrag von Susann Sika (Pressereferentin der Universität Leipzig)
Werner Heisenberg, einer der bedeutendsten Physiker des 20. Jahrhunderts, erhielt 1932 den Nobelpreis für die Begründung der Quantenmechanik. Im Zweiten Weltkrieg forschte er im „Uranprojekt“ an Einsatzmöglichkeiten der Kernspaltung, geriet aber auch in Konflikt mit den Nationalsozialisten, da er Kontakte zu jüdischen Wissenschaftler:innen hatte. Heisenbergs Tochter Barbara Blum hält am 7. November 2024 im Rahmen der Vortragsreihe „Werner Heisenberg in Leipzig“ in der Bibliotheca Albertina den Vortrag „Im Dunstkreis der Politik“, in der es vor allem um Heisenbergs Zeit in Leipzig von 1927 bis 1942 geht. Im Interview berichtet Blum über die schwierigen Zeiten, die ihr Vater in seiner Zeit als Professor an der Universität Leipzig erlebte. Sie befasst sich unter anderem mit der Frage, ob man die reine Wissenschaft von der Politik trennen kann.
Frau Blum, Ihr Vater Werner Heisenberg zählt zu den bedeutendsten Physikern des 20. Jahrhunderts. Was ist aus Ihrer persönlichen Sicht sein größtes Verdienst?
Ich sehe sein größtes Verdienst in seinen lebenslangen Bemühungen, Menschen aus aller Welt und allen Kulturen mit Hilfe der neuen Wissenschaft miteinander ins Gespräch zu bringen – und zwar über das, was die Welt im Innersten zusammenhält.
Heisenberg ging es mit seiner Forschung nicht um die technische Verwertbarkeit seiner Entdeckungen, sondern um das Erkennen der gesetzlichen Zusammenhänge, in die wir Menschen als Teil der Natur und als denkende Wesen eingebunden sind.
Diese gesetzlichen Zusammenhänge waren für ihn der Schlüssel für die Schönheit der Welt. Und ihre Darstellung in der auf der ganzen Welt gültigen Sprache der Mathematik mit verständlichen Begriffen war das Ziel seiner Forschung. Mit diesem Anliegen konnte er, wo er auch hinkam, die Menschen nicht nur anregen, sondern auch inspirieren.
Er wurde 1927 mit nur 25 Jahren auf den Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universität Leipzig berufen und wirkte bis 1941 hier. Werner Heisenberg erlebte politisch schwere Zeiten in Leipzig. Welchen Konflikt hatte Ihr Vater gerade auch in dieser Zeit zu bewältigen?
Die Atom- und Quantenphysik, die Heisenberg vertrat, galten als “Entartung jüdischen Geistes“ und standen daher in der Schusslinie des nationalsozialistischen Antisemitismus. Das betraf vor allem seine Mitarbeiter, von denen viele jüdische Wurzeln hatten und vertrieben wurden, damit aber auch ihn selbst und seine Arbeit. Er hatte sich nicht zu Hitler bekannt, und geriet dadurch in Gefahr.
Die Entdeckung der Kernspaltung und damit die Möglichkeit der Entwicklung neuartiger Waffen machte dann die neue Physik plötzlich interessant. Damit endete zwar sein offener Konflikt mit der sogenannten “Deutschen Physik“. Aber die neuen waffentechnischen Möglichkeiten brachten ihn in einen moralischen Konflikt mit seinen eigenen ethischen Vorstellungen.
Der Vortrag von Barbara Blum „Werner Heisenberg in Leipzig: Im Dunstkreis der Politik“ findet am 7. November 2024 um 19:00 Uhr im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina (Beethovenstr. 6, 04107 Leipzig) statt. Er ist die dritte Veranstaltung der Vortragsreihe „Werner Heisenberg in Leipzig“ der Universitätsbibliothek Leipzig und der Heisenberg Gesellschaft. Der Eintritt ist frei.
Was erwartet die Besucher:innen Ihres Vortrags in Leipzig?
Es wird darum gehen, warum er in der Nazi-Zeit nicht wie so viele seiner Kollegen und Mitarbeiter Deutschland verlassen hat; dann: welche Kompromisse er einging, und wo er Widerstand leistete; und schließlich: wie es ihm gelang, in seiner exponierten Position zu überleben, ohne sich von den Machthabern einspannen zu lassen und ohne seine eigenen Wertvorstellungen zu verraten.
Welche Rolle spielte die wissenschaftliche Arbeit Ihres Vaters beim Uranprojekt in den Kriegsjahren?
Heisenberg war theoretischer Physiker und an Grundlagenforschung interessiert. Er arbeitete an der Frage, ob und wieviel an Energie bei einer Kernspaltung freigesetzt wird, und in welcher Weise man sie eventuell wirtschaftlich nutzen könne. Dabei erkannte er die prinzipielle Möglichkeit, sie zu zerstörerischen Zwecken, das heißt zum Bau einer Bombe zu nutzen.
Er übernahm im Jahr 1942 die Leitung des Uranprojekts auf Wunsch einiger eng befreundeter Kollegen, um die Kontrolle über die Atom-Forschung im Wissenschaftsbereich zu halten, statt sie Parteifunktionären oder dem Militär zu überlassen. In seiner Funktion als Leiter des Uranprojekts erweiterte er systematisch die Themen des ursprünglichen Projekts durch Zusammenarbeit mit Institutionen aus anderen Gebieten, zum Beispiel der Chemie, der Biologie oder auch der Medizin.
Wie groß war Ihrer Meinung nach die Gefahr, dass in Deutschland eine Atombombe gebaut wird?
Darüber kann ich nicht viel mehr sagen, als was schon seit Ende des Kriegs bekannt ist: Es gab in Deutschland keine Atombombe. Seit 1940 wusste man, dass der Bau einer Bombe prinzipiell möglich ist. Aber Heisenberg glaubte, dass die Entwicklung einer Bombe viele Jahre in Anspruch nehmen würde und darum – glücklicherweise – in dem von Hitler vorgegebenen Zeitraum nicht verwirklicht werden könne.
Von Seiten des Heereswaffenamts wurde daher das Projekt nicht mehr weiterverfolgt. Wenn man heute am Beispiel des amerikanischen Manhattan-Projekts sieht, welche gewaltigen Anstrengungen an personellen, finanziellen und apparativen Aufwendungen für den Bombenbau nötig waren, kann man mit gutem Gewissen sagen, dass seine Einschätzung richtig war, und dass in dieser Hinsicht von den Deutschen keinerlei Gefahr ausging.
Sie wurden 1942 geboren, nach Heisenbergs Zeit an der Uni Leipzig. Woran erinnern Sie sich am liebsten, wenn Sie an Ihren Vater denken?
Mein Vater hatte über die Physik hinaus einen Blick für andere Dimensionen des geistigen Lebens. Seine enge Verbindung zu den Schönheiten der Natur hat er mir weitergegeben. Und der engste Kontakt entstand beim gemeinsamen Musizieren oder auch über die klassische Literatur und Philosophie. Da waren die tiefen Wurzeln seiner Menschlichkeit.
Hat er seine Leidenschaft für Physik an Sie und/oder Ihre Geschwister weitergegeben?
Nachdem wir mit Naturwissenschaft aufgewachsen sind, habe ich selber Literatur und Kunst studiert. Aber einer meiner Brüder ist Physiker geworden, und ein anderer hat sich für die Naturwissenschaft im Bereich der Biologie eingesetzt.
Die Fragen stellte Susann Sika.