Mit Ramona Buchmann, Claudia Kasper und Anke Stoye arbeiten in der Buchbinderei der UB Leipzig drei erfahrene Kolleginnen zusammen und das bereits seit vielen Jahren. Höchste Zeit also, ihnen unsere 7 Fragen zu stellen. Dies umso mehr, da der nächste Tag der offenen Tür, zu dem die Kolleginnen üblicherweise Einblicke in ihre Arbeit und die Werkstatt geben, wohl noch etwas auf sich warten lässt…
1. Sie drei sind in der Buchbinderwerkstatt der UB Leipzig tätig. Seit wann arbeiten Sie hier und wie hat es Sie zu uns verschlagen?
Ramona Buchmann: Ich habe hier am 1. September 1975 als Lehrling begonnen. Zu dem Beruf bin ich gekommen, weil meine Mutter und meine Schwester beide „Buchbinder/-in“ hier in Leipzig gelernt haben, aber nach Jahren nicht mehr in dem Beruf tätig waren. Ich bin bis heute hier, mir gefällt die Arbeit. Handwerklich arbeiten wollte ich schon immer. Bücher habe ich immer schon gern gelesen und mich geärgert, wenn sie kaputt gingen. Mit Papier zu arbeiten hat mir auch Spaß gemacht – und da traf es sich gut, dass es an der Universität Berufe in dieser Richtung gab und ich dann hier die Stelle bekommen habe. Es macht immer noch Freude nach den vielen Jahren, man lernt immer wieder Neues dazu – die Materialentwicklung geht ja weiter.
Claudia Kasper: Ich bin 1980 an die UBL gekommen und zwar durch Hörensagen. Bekannte von mir haben erzählt, dass hier eine Stelle frei sei und dann habe ich mich beworben und die Stelle auch bekommen. Ich habe eigentlich „Industriebuchbinder/-in“ gelernt und hatte dort gesehen, dass die älteren Kolleg*innen Beschwerden hatten: Schulterprobleme und Krampfadern. Da habe ich mir gedacht: Das mache ich doch nicht ein Leben lang! Und durch das Hörensagen und als ich hier die Stelle bekommen habe, fand ich das auch viel interessanter, mit den Händen zu arbeiten. Als „Industriebuchbinder/-in“ arbeitet man nur mit Maschinen. Also Heftmaschinen, Falzmaschinen, Beklebe- und Beschneidemaschinen wie hier, aber eben alles viel größer. Das war nichts für mich. Das war Akkordarbeit.
Anke Stoye: Ich bin 1984 zur Buchbinderin ausgebildet worden. Die Universität Leipzig, damals noch KMU (Karl-Marx Universität), hat mich als Lehrling eingestellt. Ich wurde aber fremd ausgebildet, da es hier im Haus keinen Buchbindermeister*in gab. Nach der Ausbildung bin ich dann gleich hierhergekommen. Ich hätte auch in meinem Ausbildungsbetrieb bleiben können – eine große Sortimentsbuchbinderei – dort wurden straff nach Zeitplan Kunstgewerbsartikel für das westliche Ausland produziert, aber das war eben Fließbandarbeit. Nichts für mich! Das hier im Haus, das hat mich schon immer fasziniert: schon das Gebäude allein! Und dann die Arbeit und die Kolleginnen und Kollegen. Wenn ich immer mal zu Besuch kam, das war so eine schöne Atmosphäre, die Arbeit viel interessanter, deshalb bin ich nach der Lehre geblieben. Ich arbeite jetzt seit 1986 hier. Zu dem Beruf überhaupt gekommen bin ich übrigens durch die Berufsberatung der DDR. Mir war nicht so richtig klar, was ich machen wollte. Es sollte etwas Handwerkliches sein und Bücher haben mich schon immer interessiert. Der Vorschlag war dann „Buchbinder/-in“ – und ich habe es nie bereut.
2. Worin bestehen Ihre hauptsächlichen Tätigkeiten und hat sich die Arbeit im Laufe der Jahre verändert?
Ramona Buchmann: Also, die Hauptaufgabe bei uns hier in der Werkstatt liegt in der Erhaltung der Universitätsbibliotheksbestände. Das heißt, jedes kaputte Buch, das hier im Magazin in den Regalen steht, wird eingesammelt und auf einem Arbeitswagen für uns bereitgestellt. Wir kümmern uns hier im Haus hauptsächlich um die älteren Bücher, viele von den jüngeren Sachen gehen auch an externe Buchbinder*innen, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir reparieren kaputte Lederrücken, auseinanderfallende Klebebindungen oder Heftungen, wir bearbeiten Broschuren, bauen Kästen, Schatullen und Etuis als Schutz für die Bücher. Wir arbeiten mit Leder, verschiedenen Papieren, unterschiedlichen Leimen. Zum Teil geht es schon in anfängliche restauratorische Arbeiten über. Wir sagen immer, wenn wir ein Buch in die Hand nehmen: Schadensbild ermitteln und dann erst einmal das Buch richtig kaputt machen (lacht). Um dann anzufangen, es wieder so zu gestalten, wie es im Originalzustand mal war. Diese Mühe machen wir uns. Wir richten uns danach, wie Einband, Heftung, Klebung gewesen sind. Wir arbeiten eng mit der Restaurierungswerkstatt zusammen und eigentlich gibt es für jedes Buch, für jedes Blatt fast immer eine Lösung. Ansonsten kommt es in eine Mikrowelle.
Ramona Buchmann: Wenn das Papier sehr brüchig ist, wenn man es anfasst und es zerfällt in der Hand, wird es manchmal auch schwierig. Da ist dann die Wahrscheinlichkeit, dass man es mit Japanpapier ausbessern kann eher gering. Damit das nicht passiert, machen wir eine Schutzhülle drum, wir sagen „Mikrowelle“ dazu. Das ist ein Karton mit Wellen drin, der auf die Größe des Buches, wie ein großer Umschlag drum rum gebaut wird, damit das Buch geschützt bleibt.
3. Können Sie eine Handbewegung machen, die typisch für Ihren Beruf ist?
4. Welches war das für Sie ungewöhnlichste Buch, das Sie gebunden haben?
Romana Buchmann: Das war ein übergroßer englischer Atlas über das britische Königreich aus dem vorigen Jahrhundert. Der hatte fast die Größe des Tisches und Bearbeiten war schwierig, denn er passte nicht in unsere Pressen. Wir müssen ja aufpassen, dass das Geklebte, wenn es feucht ist, nicht wellig wird oder Blasen schlägt. Das haben wir dann mit vielen Brettern und Beschwereisen gelöst, die wir draufgestellt haben. Das hat zum Glück geklappt, war aber sehr unhandlich. Nochmal machen möchte ich es nicht (lacht).
Anke Stoye: Orientalische Bücher brauchen aber auch viel Aufmerksamkeit. Das ist schwierig, weil wir sie natürlich nicht lesen können, sogar die Seitenzählung ist oft heikel. Und wenn man es auseinandernimmt, wird es schnell ganz schwierig. Wir orientieren uns natürlich am Text oder an der Seitenzählung und dann standen wir schon manchmal da: „Wo kommt das jetzt hin?“. Da haben dann Kolleginnen und Kollegen aus dem Haus geholfen, die sich damit auskannten. Aber wir haben bisher noch alles wieder hinbekommen.
Claudia Kasper: Neulich haben auch einmal eine Menge Seiten bei einem Buch gefehlt. Mit der Rasierklinge rausgeschnitten.
Ramona Buchmann: Ja, da war die Hälfte vom Buch weg. Entweder muss dann ein anderes Buch fotokopiert werden, dass die Seiten wieder eingefügt werden können oder es muss eben ersetzt werden. Das passiert aber nicht so häufig, vielleicht zweimal im Jahr. Viel schlimmer sind die Sachen, die mit Pflastern oder Klebeband selbst repariert wurden. Das ist schwer abzulösen, alles muss ausgebessert werden. Die Leute meinen es natürlich gut, aber fürs Ausbessern wäre es natürlich besser, man übergibt es uns, wie es ist.
5. Passiert es Ihnen, dass Sie bei der Arbeit an den Büchern auch in die Bücher schauen und an etwas „hängen bleiben“. Falls ja: Was war Ihr bester „Fund“?
Ramona Buchmann: Doch, das passiert schon. Ich interessiere mich für historische Romane und auch für Krimis, die wir manchmal hier haben. Es ist spannend, wenn man dann mal eins hat, mit den damaligen Mordfällen, also so die Ermittlungsgeschichten von 1920/1930, das interessiert mich sehr.
Anke Stoye: Und natürlich die alten Medizinbücher! Erstmal sind es mitunter sehr schöne Bildtafeln und sehr interessant, wie damals operiert oder amputiert wurde. Da bleibt man schon mal hängen. Reklame und Inserate in alten Zeitungen und Zeitschriften sind auch toll. Die werden ja auch von uns gebunden. Manchmal kommt dann was aus dem 19. oder auch mal 16. Jahrhundert, so die ersten Zeitungen im Kleinformat. Und da sind natürlich spannende Anzeigen drin: „Magd sucht neuen Wirkungskreis“ oder so.
Ramona Buchmann: Sehr schön ist natürlich auch die „Gartenlaube“, mit den schönen illustrierten Collagen aber auch Inseraten und Annoncen: Strumpfbänder und für den Mann Haarpomade, das ist schon spannend.
Claudia Kasper: Und manchmal auch die Pflanzen-Bücher, diese Farben! Die sind heute noch wie damals, nicht vergilbt, das ist auch sehr schön. Da guckt man gerne rein. Ist aber natürlich selten.
6. Haben Sie ein Lieblingsbuntpapier?
Ramona Buchmann: Na, ein spezielles nicht, wir haben ja so viele. Weil die Kollektion sich nach der Wende ja sehr geändert hat und der Zugang zu allen Firmen möglich wurde. Zu DDR-Zeiten war das nicht so, da hatte man dieses und jenes Papier und hat dann vieles selbst gemacht, mit Farben und Terpentin. Heute kann man sehr schöne Papiere kaufen, handgemachte, aber auch industriell hergestellte. Die handgeschöpften Papiere sind aber immer noch die schönsten.
Die Papiere werden für die alten Bände benutzt, wo wir noch so ein altes Papier als Überzugspapier haben. Wenn es defekt ist, ergänzen wir es. Und annähernd passt es auch meistens, weil sich die Papierhersteller auch nach den alten Sorten richten.
Claudia Kasper: Dies hier ist zum Beispiel so ein Deckel von einem alten Buch. Genau dieses Papier haben wir nicht, aber ein ähnliches. Das Buch wird eingebunden, damit es fast original aussieht.
7. Wenn Sie privat Bücher kaufen, achten Sie da auch (unweigerlich) auf ihren Einband oder Art und Verarbeitung der Bindung? – Oder ist das mittlerweile industriell überformt?
Anke Stoye: Ich gehe da immer nach der Optik! Zuerst muss mir der Einband gefallen und ansprechend sein. Dann schaue ich schon auch nach der Qualität. Aber Taschenbücher sind eh alle geklebt und haben nicht das ewige Leben.
Claudia Kasper: Viele fassen ja Bücher auch am oberen Buchrücken an, wenn sie sie aus dem Regal nehmen, sollte man nicht machen, da gehen sie schneller kaputt. Gerade, wenn es ein stabiler Rücken ist.
Ramona Buchmann: Und beim Kopieren muss man natürlich auch aufpassen, dass man die Bücher nicht zu sehr auseinander reißt. Und dann gilt natürlich: Nichts reinschreiben, reinkleben oder Kaffee verschütten.
Claudia Kasper: Und das A und O: Wenn es passiert, nicht selbst reparieren. Das übernehmen dann wir.
Die Fragen stellte Sophia Manns-Süßbrich.
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