Für unsere neue Reihe „475 Jahre UB Leipzig“ bitten wir Gastautorinnen und -autoren um ein paar Zeilen und Gedanken zum Geburtstag. Diese werden hier in loser Reihe in den kommenden Wochen und Monaten veröffentlicht. Den Anfang macht ein Gastbeitrag von Katharina Hahn, Promovierende an der Universität Leipzig.
Was könnte ich aus eigener Erfahrung zur Universitätsbibliothek und ihrer Geschichte beitragen? Ich kenne vor allem die Albertina, und meine Erfahrungen beziehen sich auf den hinsichtlich der Jubiläumszahl mageren Zeitraum von zehn Jahren. Erst kam ich als Studentin hierher, dann als Promovierende.
Das Innenleben verändert sich permanent
Das Gebäude der Albertina wirkt von außen und innen so prachtvoll, dass gleich klar ist: Hier geht es um etwas Wichtiges. Und dieses Wichtige, das zeigt sich zunächst in einer unüberschaubaren Menge von Gängen, Büchern, Regalen, Regeln und Signaturen. Natürlich, das ist nur das offen Wahrnehmbare. Eine Oberfläche, die auf noch komplexere Strukturen im Innern verweist. In einer so großen Bibliothek kann ein ‚erster Schritt‘, um sich zurechtzufinden, langfristig nur heißen: Ein Bein ist immer in der Luft. Denn anders, als das Gebäude zunächst vermuten ließ, verändert sich sein Innenleben permanent.
Das Offene Magazin im Erdgeschoss ist meine Lieblingsneuerung. Ich freue ich mich über die schnelle und einfache Zugänglichkeit des immer wachsenden Bestandes. Außerdem ist hier ein Phänomen zu entdecken, das ich in Anlehnung an Aby Warburg eine ‚gute Nachbarschaft’ nennen möchte. Es handelt sich dabei um Buch-Nachbarschaften, die in den meisten Fällen zufällig sind. Denn im Offenen Magazin wird nicht thematisch oder nach Veröffentlichungsjahr, sondern nach dem Datum des Eingangs in das System der Albertina sortiert. So befinden sich manchmal Bücher nebeneinander, die zwar aus unterschiedlichen Disziplinen, Epochen oder politischen Systemen stammen, aber gerade in dieser Unterschiedlichkeit auf Zusammenhänge hinweisen, auf die mit üblicher Bibliotheks-Sortierung nicht zu kommen wäre. Ein Zugang zum Wissen, der assoziativer und transdisziplinärer nicht sein könnte und ein unendlicher Schatz!
Das Gefühl, irgendwie sind alle durch ähnliche Ziele verbunden
Natürlich ergeben sich in zehn Jahren auch zahlreiche Begegnungen mit Menschen und dazu kommen ebenso alltägliche wie besondere Beobachtungen. Es gibt die Disziplinierten, die sich schon morgens, wenn die Bibliothek öffnet, an einen Arbeitsplatz im Lesesaal begeben, um an ihrem Projekt zu arbeiten. Vor allem zum Ende des Semesters werden sie zahlreicher. Noch immer mag ich die leisen, konzentrierten Geräusche, das Tippen, Blättern und Klicken um mich herum. Das Gefühl, irgendwie sind alle durch ähnliche Ziele verbunden. Lesen, Lernen, Denken, Schreiben, Fertigwerden. Sicher, es gibt noch andere Motivationen in der Albertina zu sein, aber dieses Ideal gefällt mir am besten. Es muss ein Ort mit idealistischen Menschen sein, der all das ermöglicht. Und ich bin sehr froh, hier arbeiten zu können.
Gastbeitrag von Katharina Hahn