Etwas zur Endgültigkeit der Vorläufigkeit
Wer in den vergangenen 7–8 Jahren in der Bibliotheca Albertina gearbeitet, geforscht, gelernt, Bücher verfasst oder zum Lesen abgeholt oder einfach sich zum Gedankenaustausch mit Gleichgesinnten getroffen hat, die oder der muss es gehört, gesehen, gespürt, ja sogar gerochen haben. Hier wurde gebaut, und zwar nicht oberflächlich im Kleinklein, sondern richtig gründlich in den Tiefen und überall…
Die 2017 begonnene Brandschutzsanierung des Gebäudes umfasste einen Austausch von Elektro-Verkabelungen und Lampen, Entrauchungsanlagen, Brandmeldern und sogar Brandschutztüren sowie Be- und Entlüftungsanlagen. Wände wurden brandschutzgerecht aufgewertet, Fluchtwege/-türen neu festgelegt. Das alles war unbedingt für die Erhöhung der Sicherheit der im Haus anwesenden Personen im Falle eine Brandes erforderlich und durch neue Gesetzgebung zum Brandschutz vorgegeben.
Leider waren aber die alten Leitungen unter Zwischendecken oder hinter Vorbauwänden versteckt! Und davor und darunter standen Regale voller Bücher, saßen fleißig Studierende und Forschende, saßen Kolleg*innen…
Also mussten Tausende von Büchern ausgeräumt und über Monate an diversen Interimsstandorten ausgelagert werden, wo sie während der Bauzeit weiter zur Verfügung standen und zugänglich blieben. So wurden reichlich 20.000 Fachbodenmeter voll Bücher, oder umgerechnet ca. 500.000 Bände ausgeräumt, durch das Haus transportiert und wieder aufgestellt. Es mussten flächendeckend Regale abgebaut werden, sogar Rollregale und Zeitschriftenklappen-Regale (wenn man deren Komplexität sieht, wundert man sich über das Wagnis!), um Baufreiheit zu schaffen. Und wenn das Ausräumen gar nicht in Frage kam, wurden die Regale samt ihrem Inhalt staubsicher wie große Pakete verpackt.
Ein paar Monate später ging alles wieder andersherum zurück, um danach im nächsten Lesesaal oder Büro neues „Chaos“ zu veranstalten. Die Kolleg*innen zogen samt ihrer Büro-Habe in Interimsquartiere, damit Zwischendecken und Wände abgerissen und wieder aufgebaut, verstärkt, Rohre und Kabel ausgetauscht, gebohrt, geschraubt, geschliffen, gestrichen und unzählige andere Bauschritte ausgeführt werden konnten.
Man sieht den gusseisernen Säulen und Trägern heute nicht mehr an, dass diese bis zu 14 Schichten einer Spezialfarbe tragen. Im Ernstfall sollen diese die Zeit verlängern, in der das Gebäude evakuiert werden kann.
Der Text kommt bisher in der Vergangenheitsform daher. Wir hätten es uns sehr gewünscht, dass die Baustelle heute, Anfang 2024 auch Vergangenheit wäre. Wenn man sich derzeit in den Lesesälen aufhält und ganz in ein Buch vertieft oder gerade den roten Faden für den Text der Semesterarbeit gefunden hat, kann man plötzlich noch von Bohrgeräuschen aus der Konzentration gerissen werden. Auch wenn in den Lese- und anderen öffentlichen Bereichen nicht mehr gebaut wird, im 4. OG West (Verwaltungs- und Direktionsbereich) und im 5. OG West und Ost (Magazine) geht’s noch weiter. Erst Ende 2024 soll dann wirklich Schluss sein – bevor dann irgendeine neue Baumaßnahme sich sehen und hören lassen wird!
Und dreimal darf man raten, welches Fachgebiet die längste Interimszeit und, wenn man auch noch die Zeit seit dem Wiederaufbau der BA ab 2001 berücksichtigt, am häufigsten im Haus umgezogen ist? – Man wird es kaum erraten. Es war die Philosophie! Warum das? Weil wohl „Nichts so dauerhaft ist wie das Vorläufige“ – das berühmte Hauptthema der Philosophie? Oder die Bibliothek von einem Philosophieprofessor die meiste Zeit der Brandschutzmaßnahmen geführt wurde? Oder?