Zeit einkapseln

Ende 2023 feierte die Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) ihren 480. Geburtstag. Sie geht also auf die 500 zu! Mit Blick auf dieses Jubiläum haben die aktuellen Kolleg*innen eine Zeitkapsel befüllt – als Gruß in die Zukunft an diejenigen, die sich dann um die Belange der Universitätsbibliothek kümmern. Die Zeitkapsel wurde im Rahmen des Jahresempfangs der Bibliothek präsentiert und verschlossen.

Zahlreiche Kolleg*innen haben die Kapsel mit ihren schriftlichen Beiträgen, aber auch mit ganz handfesten Artefakten wie Stempeln oder Buchsignaturen befüllt. Sie haben ihren heutigen Arbeitsplatz beschrieben, das, was heute bewegt. Sie haben versucht, sich die Bibliothek in 20 Jahren vorzustellen und sie haben Wünsche für die Zukunft aufgeschrieben.

Der Inhalt der Zeitkapsel. Foto: Leonie Dosch

Bibliothek in 20 Jahren

Was fällt auf, wenn man sich anschaut, welche Vorstellung die Kolleg*innen von der Bibliothek in 20 Jahren haben? Es bestehen keine Zweifel daran, dass der Ort Bibliothek seine Attraktivität nicht verlieren wird: für alle, die sich konzentrieren und inspirieren lassen und sich zwischendurch austauschen wollen über Prüfungsangst und Liebeskummer, Zukunftspläne und Lebensfreude. Auch bestehen keine Zweifel daran, dass Bibliotheken nach wie vor eine Rolle bezogen auf das „Organisieren von Wissen“ haben werden, wenn auch so manche Tätigkeit – zum Beispiel das Katalogisieren, gerade auch in vielen, nicht geläufigen Sprachen – möglicherweise nicht mehr mittels Humaner Intelligenz, sondern mittels Künstlicher Intelligenz erfolgen wird. In ganz futurischen Vorstellungen sitzen Benutzer*innen nicht mehr auf Stühlen an Tischen, sondern schweben auf bequemen Schwebesesseln und können zwischen virtuellen Arbeitsumgebungen vom inspirierenden Berggipfel bis zum Meeresgrund wählen. Auch die Bücher schweben aus den Regalen – es gibt also noch Bücher! – zu den Nutzenden und wieder zurück. Und in einem Holo-Lab können historische Ereignisse nacherlebt werden.

Zukunftsvorstellungen

Gleichzeitig gibt es aber auch ein paar pragmatische Zukunftsvorstellungen und handfeste Wünsche, dem Sinne nach: Wenn es gut läuft, sind bis 2043 alle Bau- und Sanierungsmaßnahmen abgeschlossen und die alten Gerippe der Buchtransportanlage abmontiert; ist die Jura-Bibliothek im Forum Recht schon seit 15 Jahren in Betrieb und die Bibliothek der Künste entweder schon gebaut und seit zehn Jahren (!) in Betrieb, oder wird noch gebaut und soll 2046 eröffnet werden; sind kreative Bezeichnungen für die drei Gebäudeflügel der Albertina Ost, Mitte und West gefunden; ist das Schloss im Flur der Bibliothek Recht I ausgetauscht (das wird übrigens nicht funktionieren, denn – siehe oben – die Bibliothek Recht I gibt es dann wegen des Forums Recht nicht mehr).

Caroline Bergter (links), Dr. Anne Lipp (Mitte) und Charlotte Bauer bei der Präsentation der Zeitkapsel beim Jahresempfang der Universitätsbibliothek. Foto: Leonie Dosch

Wünsche

In den Wünschen für die zukünftigen Kolleg*innen wird teilweise deutlich, dass das, was wir bis vor wenigen Jahren nicht gefährdet glaubten – eine stabile Demokratie, Frieden und Freiheit – als fragil empfunden wird. Insofern ist es folgerichtig, den nachfolgenden Kolleg*innen zu wünschen, dass sie ihre Tätigkeit weiterhin frei, ungezwungen, tolerant und im Geiste der Wissenschaft ausüben können.

Die Zeitkapsel steht nun verschlossen im Magazin, der Schlüssel hängt gut sichtbar und mit einer Erläuterung versehen im Büro der Direktorin, unübersehbar für diejenigen, die für 2043 die Festlichkeiten zum 500. Geburtstag vorzubereiten haben.

Anne Lipp

Dr. Anne Lipp ist Direktorin der Universitätsbibliothek Leipzig.

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