Unsere Leihgaben an Museen und Archive für ihre Ausstellungen
Ein Beitrag von Fanny Bartholdt, Susanne Dietel, Dr. Matthias Eifler, Jörg Graf und Lisa Perchermeier.
Das Telefon klingelt, Frau Dietel nimmt den Hörer ab:
„Universitätsbibliothek Leipzig, guten Tag.“
„Guten Tag, ich bin die wissenschaftliche Mitarbeiterin eines europäischen Museums und habe in Ihrer Datenbank gesehen, dass Sie eine Handschrift besitzen, die gut zu unserem Ausstellungsthema passen würde. Könnten wir diese Handschrift für drei Monate in unserer geplanten Ausstellung präsentieren?“
Kurzes Durchatmen.
So vielfältig wie unser Bestand ist auch das Spektrum der Institutionen, die Leihanfragen an uns richten. Natürlich bedienen wir die lokalen Museen in Leipzig wie das Stadtgeschichtliche Museum, das Museum der bildenden Künste, das Bach-Archiv sowie die Sammlungen bzw. die Kustodie der Universität Leipzig. Aber auch viele überregionale Museen – sowohl deutschland- als auch europaweit – haben Interesse daran, Objekte aus unseren Sammlungen in ihren Ausstellungen zu präsentieren.
„Schön, dass Sie Interesse an unseren Beständen haben, aber für eine Leihanfrage müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden. Als Erstes benötigen wir natürlich ein offizielles Anschreiben an die Direktorin unserer Bibliothek, Frau Dr. Lipp. Dieses Anschreiben wird dann an die bestandsbetreuende Person weitergeleitet.“
In der UBL sind unterschiedliche Mitarbeiter*innen mit der Koordination der Leihanfragen betraut. Lisa Perchermeier übernimmt die Aufgaben für alle Drucke nach 1850, Susanne Dietel für Materialien vor 1850 bzw. Sonderbestände und Dr. Matthias Eifler für die mittelalterlichen Handschriften. Das Prozedere ist dabei stets ähnlich und unterscheidet sich lediglich in Bezug auf den Wert und die Materialität der Objekte.
„Verfügt ihr Museum über einen Facility Report? Es wäre schön, wenn Sie diesen Ihrer schriftlichen Leihanfrage gleich beifügen könnten. Aus diesem Report sollte ersichtlich werden, wie Ihr Museum die Klimawerte, die Lichtbelastung und die Sicherheit garantieren kann.“
Kurze Stille in der Telefonleitung.

Grundsätzlich kann man sagen, dass die Ausleihe eines Objekts immer ein Balanceakt ist zwischen dem Bemühen um den bestmöglichen Erhalt des Objektes und dem Wunsch, die Vermittlung von kulturellem Wissen anhand von Originalen zu ermöglichen. Denn jede Ausstellung – seien der Transport und die Präsentation auch noch so materialschonend – stellt eine Belastung für das Objekt dar. Aus diesem Grund haben die Mitarbeiter*innen unserer Restaurierungswerkstatt, die Bereichsleiter Prof. Dr. Thomas Fuchs und Dr. Christoph Mackert sowie Direktorin Dr. Anne Lipp immer das letzte Wort, wenn es um die Ermöglichung einer Leihe geht.
Es klopft an der Zimmertür, Jörg Graf, Leiter der Restaurierungswerkstatt tritt ins Zimmer. „Ach Jörg, das passt hervorragend. Ich habe eine Kollegin am Telefon, die möchte Ms 1223 für eine Ausstellung ausleihen. Wie waren gleich noch mal die notwendigen Klimabedingungen?“
„Die Temperatur im Ausstellungsraum sollte sich zwischen 19-20°C bewegen und die Raumluftfeuchte sollte bei 50–53 % liegen. Da es sich um eine Handschrift handelt, darf die Lichtbelastung 50 Lux nicht überschreiten. Können Sie uns das garantieren?“
Es kommt durchaus vor, dass Leihanfragen abschlägig beschieden werden. Sei es, weil die Klima- oder Sicherheitsbedingungen vor Ort den konservatorischen Anforderungen unserer Restaurator*innen nicht genügen, oder sei es, weil kein Fachpersonal anwesend sein kann, um mit den Objekten professionell umzugehen.
Aber auch finanzielle Gründe können eine Rolle spielen: Der Transport durch Spezialfirmen oder gar die Kurierbegleitung, die Klima- und Lichttechnik in den Ausstellungsräumen sowie die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen kosten Geld und nicht jede Institution ist finanziell in der Lage, diese Anforderungen zu erfüllen.
„Gut, dann schicke ich Ihnen die Leihanfrage und den Facility Report umgehend zu.“
„Danke, meine Kolleg*innen oder ich würden uns dann wieder bei Ihnen melden, sobald wir die Objekte geprüft haben.“
Einige unserer besonders wertvollen Bestände sind von einer Ausleihe jedoch von vornherein ausgeschlossen. Dazu zählen u. a. der Codex Sinaiticus und der Papyrus Ebers, außerdem weitere Stücke, deren Erhaltungszustand einen Transport nicht erlauben. Wenn Leihanfragen abgelehnt werden, können wir den Leihnehmern hochaufgelöste Digitalisate anbieten, so dass in der Ausstellung ein Faksimile gezeigt werden kann oder die Handschrift bzw. der Druck digital präsentiert werden können. Alternativ können wir auch ermöglichen, dass statt des angefragten Objektes ein anderes, thematisch passendes, aber besser erhaltenes, ausgeliehen wird.

Eine sehr große Rolle bei der Abwicklung einer Leihanfrage spielt unsere Restaurierungswerkstatt. Abhängig vom Objekt sind vor der Leihe Sicherungsmaßnahmen erforderlich. Häufig fertigen die Mitarbeiter*innen der Restaurierung für die Ausstellungsstücke auch passende Buchstützen oder Passepartouts an oder montieren Objekte auf Trägermaterialien.
Bei besonders wertvollen oder fragilen Beständen ist eine Kurierbegleitung durch unsere Restaurator*innen erforderlich. Sie überwachen den sachgemäßen Transport sowie das Ver- bzw. Auspacken des Objektes, den Ausstellungsaufbau und die objektschonende Präsentation.
Wenn Stücke in das Ausland verliehen werden, muss nach den Vorgaben des Kulturgutschutzgesetzes von 2016 außerdem eine Ausfuhrgenehmigung beim zuständigen Ministerium, im Fall der UB Leipzig dem Sächsischen Staatsministerium für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, eingeholt werden. Erst bei Vorlage dieser Genehmigung, in der geregelt wird, zu welchem Zweck und wie lange das Objekt im Ausland verweilt, darf eine Ausleihe erfolgen.
In diesem Jahr waren Bestände der UB Leipzig bereits in der Nationalbibliothek in Prag („KOSMAS 900“), in Neu-Ulm (Ausstellung „Jeder Mensch ist ein Tänzer“), Paderborn (775 – 1250 Jahre Westfalen), und Bad Frankenhausen (Ausstellung „freiheyt 1525 – 500 Jahre Bauernkrieg“) zu sehen.



















Ich finde den Beitrag sehr interessant – es ist toll zu sehen, wie die UB Leipzig den Spagat schafft zwischen Zugang für die Öffentlichkeit und Schutz wertvoller Bestände. Für mich zeigt das, wie verantwortungsbewusste Bibliotheksarbeit Kultur lebendig hält und gleichzeitig bewahrt. ✨