„Oben wird es immer stiller“

Seit September 2016 ist Lisa Frase Auszubildende für den Beruf Fachangestellte für Medien- und Informationsdienste – Fachbereich Bibliothek an der Universitätsbibliothek Leipzig. Meistens ist sie in den verschiedenen Bereichen der Bibliotheca Albertina tätig. Während ihrer Ausbildung absolviert sie aber auch zahlreiche Praktika, wovon eines sie im vergangenen Herbst nach Schottland an die Glasgow Caledonian University Library führte. Ihr Bericht ist äußerst spannend, macht er doch deutlich, wie ähnlich sich Bibliotheken sein können, aber auch, welche Unterschiede es zwischen ihnen gibt.

Im Oktober und November 2018, also zu Beginn meines dritten und letzten Ausbildungsjahres habe ich die Chance ergriffen und im Rahmen meines Praktikums für sechs Wochen die alt ehrwürdigen Gemäuer der Bibliotheca Albertina gegen eine sehr neue und moderne Bibliothek in Schottland, genauer gesagt in Glasgow, eingetauscht. Durch das Erasmus-geförderte Projekt „Azubi-Mobil“ wurden sowohl ein Praktikumsplatz als auch eine Gastfamilie gefunden, bei der ich für meine Zeit dort unterkommen sollte, also landete ich schließlich am Nachmittag des 7. Oktobers am Glasgow International Airport.

Die erste Woche verbrachte ich bei einem 22,5 stündigen Sprachkurs an der Glasgow School of English, den ich vor meiner Anreise über Erasmus gebucht hatte. In kleinen Gruppen wurde mir und einigen anderen Auszubildenden, Studierenden und Interessierten dort die englische Sprache näher gebracht: manchmal mit trockener Theorie, größtenteils aber durch interessante Gespräche, lustige Spiele oder verschiedene Medien. In den Pausen und bei freiwilligen Aktivitäten nach dem Unterricht bekamen wir dann auch die Möglichkeit, erste neue Kontakte in der neuen Stadt zu knüpfen.

In der zweiten Woche begann dann schließlich das tatsächliche Praktikum an der Bibliothek der Glasgow Caledonian University (GCU).

Die Glasgow Caledonian University Library ist eine recht junge Bibliothek, da die Universität als dritte Universität in Glasgow erst 1993 durch eine Fusion des Queen’s College und des Glasgow Polytechnic gegründet wurde. Das Gebäude, in dem sie angesiedelt ist, ist sogar noch jünger. Es hat fünf Stockwerke und bietet so den rund 20.000 Studierenden, sowie dem Lehrkörper und den externen Nutzerinnen und Nutzern reichlich Platz. Die Stockwerke sind in ihrer Nutzung zu unterscheiden:

GCU: Blick ins Erdgeschoss

Erdgeschoss: Weitläufiger Gruppenarbeits- und Sozialraum, in dem gegessen (auch warme Speisen aus der Cafeteria), getrunken und laut geredet werden darf. Hier gibt es auch die Service Theke (Library Desk), an dem weniger zeitaufwendige Fragen (zum Beispiel zu der Bedienung der Selbstverbuchungsautomaten) beantwortet und Gebühren bezahlt werden können, sowie das Archive Center (dazu später mehr), das auch einen kleinen Lesesaal beinhaltet.

Erste Etage: Ask & Learn Space, in dem die Bedingungen wie in der 1. Etage sind. Hier finden auch sogenannte Drop-In-Sessions statt, wo Studentinnen und Studenten die Möglichkeit haben, sich (nach Terminabsprache) vom bibliothekarischen Personal z.B. zum richtigen Zitieren oder Recherchieren beraten zu lassen. Außerdem gibt es einen Raum, der für Workshops genutzt wird, sowie einen Seminarraum, in dem Mitarbeiterversammlungen stattfinden und den die Nutzer ansonsten auch als Gruppenarbeitsraum nutzen können.

GCU: Library Ask & Learn Space

Zweite Etage: Hier ist Gruppenarbeit ebenfalls möglich. Es wird jedoch darum gebeten, sich dennoch ruhig zu verhalten, sodass andere nicht gestört werden. Weiterhin gibt es einen Raum, in dem Geräte für die barrierefreie Nutzung der Bibliothek zur Verfügung stehen. Außerdem sind warme Speisen ab der zweiten Etage nicht mehr erlaubt.

GCU: Gruppenarbeitsplätze, Kabinen mit Whiteboards

Dritte Etage: Die dritte Etage ist nicht mehr für Gruppenarbeiten gedacht, denn hier soll es den Nutzerinnen und Nutzern, die Ruhe zum Arbeiten benötigen, ermöglicht werden für sich zu arbeiten.

Vierte Etage: Die vierte Etage soll absolut still sein. Dies bedeutet auch, dass hier im Gegensatz zu den anderen Etagen keine Computer stehen, da das Tippen und Klicken die Nutzer nicht ihrer Konzentration stören soll. Eigene Laptops und Tablets sind jedoch erlaubt, da davon ausgegangen wird, dass diese nicht so laut sind.

Die Schwerpunkte der GCU liegen in acht verschiedenen Fachbereichen:

  • School of the Built & Natural Environment
  • Caledonian Business School
  • School of Computing & Mathematical Sciences
  • School of Engineering, Science & Design
  • School of Health & Social Care
  • School of Law & Social Sciences
  • School of Life Sciences
  • School of Nursing, Midwifery & Community Health

An diesen Fachbereichen orientiert sich natürlich auch der Bestand der Bibliothek. Dazu gehören ca. 270.000 physische Bücher, sowie eine kleine Auswahl an DVDs und zahlreiche elektronische Ressourcen (eine ungefähre Zahl hierfür konnte mir leider niemand nennen). Die Freihandbestände sind nach der Dewey-Dezimalklassifikation aufgestellt. Es gibt keinen Altbestand, aber ein Archive Center, das hauptsächlich Unterlagen der Rechtsvorgänger der GCU beinhaltet. Außerdem gibt es einige Institutionen in Glasgow, die ihre Unterlagen dort als Depositum lagern und ein paar kleinere Sammlungen, zum Beispiel zur Anti-Apartheid-Bewegung.

In der Freihand gibt es sowohl freistehende Regale als auch Kompaktregale. In den Kompaktregalen werden die Bücher aufbewahrt, die weniger häufig genutzt werden, da sie auf keiner der von den Dozenten herausgegebenen Literaturlisten stehen. Diese haben eine Ausleihfrist von vier Wochen, alle anderen eine Ausleihfrist von zwei Wochen.

Neben insgesamt 350 Computern gibt es noch weitere Technik, die den Besucherinnen und Besuchern die Bibliotheksnutzung vereinfachen soll. Dazu zählen Möglichkeiten zum Drucken, Scannen und Kopieren auf jeder Etage, Smart Tables (ebenfalls auf jeder Etage), die die Homepage und somit den Onlinekatalog anzeigen und auf diese Weise schnelle Recherchen ermöglichen, Bildschirme, die in der ersten und zweiten Etage hängen und Neuigkeiten, Angebote und Tipps zeigen und eine „Laptop Vending Machine“, also eine Maschine, aus der die Nutzerinnen und Nutzer für einige Stunden Laptops ausleihen können. Die Laptops werden ohne Ladekabel und Tasche ausgegeben.

Die eigentlichen Aufgaben der Bibliothekarinnen und Bibliothekare sowie der Bibliotheksassistenten und Bibliotheksassistenten (die dort tatsächlich noch so heißen) ändert sich dadurch jedoch natürlich trotzdem nicht. Ein Team von ca. 40 bis 50 Mitarbeitern, aufgeteilt in vier Abteilungen sorgt dafür, dass die täglichen Abläufe in der GCU Library reibungslos vonstattengehen:

  1. Library Information & Support Team (kurz: LIST): Dieses Team ist hauptsächlich für die Betreuung der Nutzerinnen und Nutzer zuständig. Dazu sitzt immer mindestens ein Teammitglied am Library Desk in der ersten Etage. Weiterhin läuft in jeder Etage ein Teammitglied durch die Räumlichkeiten. Dieses Teammitglied steht den Nutzerinnen und Nutzern der jeweiligen Etage mit Rat und Tat zur Seite. Sollte gerade kein Bedarf sein, stellt er oder sie dann den Rücklauf in die Regale und räumt die Regale etwas auf. Das Ganze geschieht nach dem Rotationsprinzip, wobei alle Mitglieder auch noch andere kleine Aufgaben haben und so zwischendurch im Büro sind. Zukünftig ist ebenfalls geplant, so wurde mir berichtet, dass die Teammitglieder auf den einzelnen Etagen mit Tablets oder Smartphones ausgestattet werden, damit sie auch von dort aus recherchieren können und nicht auf die Smart Tables angewiesen sind.
  2. Collection & Discovery (kurz C&D): Das C&D Team ist hauptsächlich für die Erwerbung und Katalogisierung zuständig, wobei einige Arbeiten (z.B. die technische Bearbeitung und die Katalogisierung bei Neuerwerbungen) auch von externen Firmen erledigt werden. Die Erwerbung orientiert sich zum größten Teil an Literaturlisten, die die Dozenten der Universität regelmäßig neu an die Bibliothek geben. Die Titel von den Listen werden dann auf Vorhandensein in der Bibliothek und Aktualität (im Sinne von: welche Auflagen sind vorhanden und sind diese die aktuellsten?) geprüft und dann beschafft (wenn der Preis nicht unverhältnismäßig größer ist, wird das E-Book bevorzugt). Wenn die Bestellungen ankommen sind, werden sie nur nochmal gecheckt und die bereits fertige technische Bearbeitung auf Richtigkeit geprüft.
  3. Academic Liaison (kurz: AL): Die Mitglieder diesen Teams sind Subject Librarians, also Bibliothekarinnen und Bibliothekar, die sich mit einem oder zwei Fachbereichen besonders gut auskennen. Einige von Ihnen unterrichten sogar in diesem Fachbereich an der Universität. Ihre Hauptaufgabe an der Bibliothek besteht darin, die Nutzer bei aufwändigeren Recherchen oder Problemen zu unterstützen. Die Nutzer haben die Möglichkeit, einen einstündigen Termin zu vereinbaren oder bei den täglich stattfindenden Drop-In Sessions vorbeizukommen. Neben den tatsächlichen Rechercheanfragen (wobei jedoch nur bei der Recherche geholfen, nicht aber die Arbeit abgenommen wird) kommen häufig Nutzerinnen und Nutzer, die Hilfe beim Zitieren benötigen. Des weiteren bietet das AL Team regelmäßig Workshops zum Recherchieren, Zitieren, zur Literaturverwaltung und Neuheiten an der Bibliothek an.
  4. Archive and Special Collections: Die Mitglieder des letzten Teams erschließen den kleinen Archivbestand und die kleinen Sammlungen der Bibliothek. Außerdem digitalisieren sie diese und ermöglichen Nutzerinnen und Nutzer mit einer Voranmeldung den Zugang zu vorbestellten Medien daraus.

Ich habe meine Zeit dort größtenteils mit dem C&D Team verbracht. Um in den nächsten Jahren noch mehr Platz für Nutzer zu schaffen, ist geplant die Kompaktregale zu entfernen. In Vorbereitung auf dieses Vorhaben findet nun eine Bestandsrevision aller physisch vorhandenen Zeitschriften statt. Im Rahmen dieser Aufgabe habe ich Zeitschriften auf Vollständigkeit und eventuell beschädigte Exemplare geprüft und die Stehsammler, in denen die Zeitschriften aufgestellt sind, neu beschriftet. Da dort wie hier auch vor einiger Zeit RDA zur Katalogisierung eingeführt wurde, habe ich dann anschließend die Zeitschriften neu katalogisiert, da die alten Datensätze noch nicht den RDA- Richtlinien entsprachen. In der restlichen Zeit hatte ich die Möglichkeit, einen kleinen Einblick in die Aufgaben der anderen Teams zu bekommen und bei verschiedenen Meetings (zum Beispiel zum Webauftritt) zu hospitieren.

Loch Portree auf der Isle of Skye

Und auch Schottland selbst kam natürlich nicht zu kurz. Neben meinen Erkundungen in Glasgow selbst habe ich auch kurze Besuche in Edinburgh, auf die Isle of Skye, zum Loch Ness (es war weit und breit kein Monster zu sehen, aber allein die Natur ist schon sehr sehenswert) und einigen Sehenswürdigkeiten auf dem Weg dorthin einplanen können.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ich mein Praktikum an der Glasgow Caledonian University Library sehr spannend fand. Ich habe viel gelernt und sowohl bei der Arbeit als auch in meiner Freizeit wahnsinnig viele nette Leute getroffen und neue Freundschaften geknüpft. Ich werde diese Zeit immer in guter Erinnerung behalten und hoffe, bald einmal für einen bestenfalls sogar etwas längeren Urlaub nach Schottland zurückzukehren um dieses wunderschöne Land und all die sehenswerten Ecken, in denen ich jetzt noch nicht war, zu entdecken. Dennoch: zu Hause ist es einfach am schönsten und so sehr ich die Zeit in Schottland genossen habe, haben mir das schöne Leipzig und die UB dann doch gefehlt. So bin ich in der Nacht vom 17. zum 18. November wieder auf dem Flughafen in Leipzig gelandet.

Lisa Frase auf der Isle of Skye

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