Die Universitätsbibliothek kümmert sich um die Publikationserfassung an der Universität Leipzig
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Universität Leipzig sind es längst gewohnt: Jedes Jahr melden sie ihre Forschungsaktivitäten für den zentralen Forschungsbericht. Bei den allermeisten Meldungen geht es um wissenschaftliche Publikationen. Die Universitätsbibliothek (UB) ist seit fünf Jahren für das Sammeln, Prüfen und Bearbeiten dieser Publikationsmeldungen zuständig.
Ein Gespräch mit Dr. Henriette Rösch, Leiterin Bereich Bestandsentwicklung und Metadaten, und Dr. Stephan Wünsche, Referent für Forschungsdaten und Forschungsinformation.
Die Bearbeitung von 30.000 Publikationen, 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – das klingt nach einem Großprojekt. Was hat die UB bewogen, diese Aufgabe zu übernehmen?
Henriette Rösch: Die Publikationserfassung für die Universität bei uns anzusiedeln, war für uns vor einigen Jahren eigentlich zwingend. Die Anforderungen für die Forschungsberichterstattung, gerade gegenüber Forschungsförderern, haben sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht. Wenn Sie belastbare Aussagen darüber treffen wollen, wer in welchen Kooperationen in welchen Verlagen, Sprachen und Themen publiziert, benötigen Sie fehlerfreie Daten mit standardisierten Angaben, besonders zu den beteiligten Personen und Einrichtungen. Und für die Standards und Qualität von Metadaten zu sorgen, ist nun einmal eine unserer Kernkompetenzen. Es ist in Deutschland übrigens üblich, dass die Verantwortung für die Publikationserfassung beziehungsweise Hochschulbibliografie bei den Universitätsbibliotheken liegt.
Abgesehen davon haben wir als Bibliothek ein starkes Eigeninteresse an guten Publikationsdaten: Im Zuge der Open-Access-Transformation werden die Kosten der Literaturversorgung mehr und mehr durch die Anzahl der Publikationen bestimmt. Da brauchen wir für Kostenanalysen und Verhandlungen mit den Verlagen verlässliche Zahlen, wer wie viel in welchen Verlagen publiziert.
Die Wissenschaftler geben ihre Publikationsmeldungen jedes Jahr über die Eingabemaske des Forschungsberichts (FOB) in. Was muss die UB überhaupt noch mit diesen Daten machen?
Stephan Wünsche: Zunächst einmal sorgen wir dafür, dass die Forschenden sehr viele Publikationen überhaupt nicht selbst eintragen müssen. Rund die Hälfte der Publikationen holen wir aus der Literaturdatenbank Web of Science ab und importieren sie in den FOB. Damit wir diese Datensätze für den Forschungsbericht verwenden können, müssen wir jeden einzelnen davon bearbeiten. Wir markieren Autoren unserer Universität und versehen sie mit Kennzahlen, sogenannten Identifikatoren. Nur so lassen sich später persönliche Literaturlisten generieren.
Der umfangreichste Teil unserer Arbeit besteht darin, die Publikationsmeldungen aus dem FOB zu bearbeiten. Hier prüft unser Team, ob es sich überhaupt um bereits erschienene Publikationen handelt, kontrolliert die Qualität der Daten, ergänzt fehlende Angaben und entfernt doppelt gemeldete Titel.
Viele Forschende pflegen schon persönliche Literaturlisten für sich selbst. Müssen sie alle Publikationen, die nicht im Web of Science sind, noch einmal mühselig per Hand in den FOB eintragen?
Stephan Wünsche: Nicht unbedingt. Publikationslisten von Einzelpersonen oder ganzen Einrichtungen nehmen wir schon jetzt gerne entgegen. Einzige Voraussetzung ist, dass es sich nicht um einfache Textdateien handelt, sondern dass sie in einem strukturierten Format vorliegen, also zum Beispiel als Citavi- oder BibTex-Datei. Wie man das macht, dazu beraten wir gern. Diese Listen durchlaufen bei uns den gleichen Prüfzyklus und erscheinen am Ende ebenfalls im FOB.
Henriette Rösch: Wer sich im Forschungsbericht einloggt, kann übrigens genau sehen, welche der gemeldeten Publikationen bereits durch die Bibliothek validiert wurden. Da finden Sie in der Detailansicht ein Häkchen bei „Angaben zur Publikation sind durch UBL validiert“. Hier können Sie dann sicher sein, dass die Bibliothek diese geprüft hat.
Was prüft die Bibliothek da im Einzelnen?
Stephan Wünsche: Bei den Meldungen passieren unvermeidlich Eingabefehler, die Daten sind mitunter unvollständig oder fehlerhaft. Sicherstellen müssen wir auch, dass Artikel, an denen mehrere Autoren unserer Universität beteiligt sind, nur einmal gemeldet werden und alle Personen richtig verknüpft sind. Nicht immer sind die Affiliierungen eindeutig angegeben und die Forschenden damit eindeutig zuzuordnen. In der Regel kann das Team der UB das schnell lösen; aber es gibt immer wieder schwierige Einzelfälle, bei denen die Recherche aufwändiger ist oder wir sogar die Autoren kontaktieren müssen, um korrekte Daten zur Publikation zu erhalten.
Gibt es für die Publikationserfassung jetzt eine eigene Abteilung in der UB?
Henriette Rösch: Nein. Das Open Science Office der UB koordiniert zwar das Ganze, aber die Kollegen, die hier mit einem Teil ihrer Arbeitszeit mitarbeiten, sind über die ganze Bibliothek verstreut. Ich habe ja bereits erwähnt: In Sachen Datenqualität sind Bibliothekare Spezialisten. Unsere Erfahrung ist, dass die Mitarbeiterinnen diese Tätigkeit sehr gern machen, weil sie dadurch konzentriert sehen, worüber an unserer Universität alles geforscht und publiziert wird – und damit auch, wofür all die Bücher, Journals und Datenbanken genutzt werden, die wir als Bibliothek kaufen und lizenzieren. Das Problem ist eher die Arbeitsbelastung insgesamt. Wenn wir im Hinblick auf den Website-Relaunch der Universität nun relativ unter Zeitdruck die Publikationen vor 2014 noch bearbeiten wollen, müssen wir sehr genau schauen, wie wir hierfür Kapazitäten freischaufeln.
Den Zusammenhang zwischen Website-Relaunch und Publikationserfassung müssen Sie uns erklären.
Stephan Wünsche: Die neue Website der Universität generiert auch Profilseiten für die einzelnen Forschenden. Dort sieht man bis zu fünf ausgewählte Publikationen, die direkt aus dem Forschungsbericht und damit der Publikationserfassung der UB gespeist werden. Von der Profilseite aus führt ein Klick zum FOB, wo dann alle gemeldeten Publikationen einer Person zu sehen sind. Damit werden die von uns bearbeiteten Daten plötzlich viel sichtbarer, werden von den Nutzern der Website und von den Forschenden selbst viel stärker wahrgenommen.
Die UB hat allerdings erst ab dem Publikationsjahr 2014 mit der Publikationserfassung begonnen. Die Forschenden wünschen sich nun zu Recht, dass ihre Literaturlisten auf den Profilseiten und im FOB weiter zurückreichen. Es existieren zwar Daten zu Publikationsmeldungen vor 2014, allerdings sind diese in einer aus heutiger Sicht unzureichenden Qualität. Das heißt, wir müssen nun für alle noch aktiv Forschenden diese Publikationsdaten nachführen. Das geht nur zum Teil mit automatisierten Prozessen und erfordert viel Recherchearbeit. Gewährleisten können wir das bis ins Jahr 2008 – für noch ältere Publikationen müssen die Forschenden selbst aktiv werden.
Sie sprechen vom Forschungsbericht und der Publikationserfassung. Sind das zwei verschiedene Dinge?
Stephan Wünsche: Jein. Die Publikationserfassung an der UB ist integraler Bestandteil des Forschungsinformationssystems leuris der Universität, zu dem ja auch der Forschungsbericht mit seiner Eingabeoberfläche gehört. Im Moment arbeiten wir auf technischer Ebene mit einer Zwischenlösung, bei der die Daten zwar über den Forschungsbericht eingetragen und später an andere Systeme ausgegeben werden, die Kontrolle und Validierung der Daten aber in einem separaten System an der UB erfolgt. Wir müssen daher noch mit recht aufwändigen Synchronisierungsprozessen umgehen. So kommt es etwa, dass auf den Profilseiten der Forschenden noch fehlerhafte oder doppelte Datensätze angezeigt werden, die wir eigentlich schon bereinigt haben. Bei der nächsten Synchronisierung werden die dann aber automatisch aktualisiert.
Wir sind mitten in der Entwicklung eines neuen Erfassungssystems, mit dem diese Prozesse sehr viel schlanker und schneller werden. Für die Forschenden bleibt es aber dabei, dass sie ihre Publikationen über die FOB-Oberfläche melden können.
Henriette Rösch: Es wird jedoch einfacher – weil wir planen, dass die Forschenden ihre Publikationsdaten unkompliziert aus anderen Systemen reinladen können, sei es aus Web of Science oder ORCID. Wir arbeiten in diesem Zusammenhang noch an einer ganzen Reihe weiterer Dienstleistungen und Verbesserungen. Aber darüber berichten wir am besten, wenn wir so weit sind.
Zum Abschluss des Interviews können Sie uns vielleicht doch ein wenig mehr verraten.
Henriette Rösch: Was wir wollen, ist die Publikationsmeldung mit den Diensten des Open-Access-Publikationsservers zusammenzubringen. Wer eine Publikation meldet, etwa einen Artikel in einem Journal, kann dabei sofort die dazugehörige Datei intern hochladen. Die UB prüft dann die urheberrechtlichen Bedingungen und Embargofristen und kann dementsprechend diese Datei als Open-Access-Zweitveröffentlichung über den Publikationsserver publizieren. Umgekehrt müssen die zahlreichen über unseren Publikationsserver veröffentlichten Forschungsreihen und Zeitschriftenartikel nicht noch einmal für den Forschungsbericht gemeldet werden, weil sie ja schon im System sind. Das macht es für alle Beteiligten leichter.
Vielen Dank für das Gespräch.
Die Publikationserfassung in Zahlen: Seit 2014 wurden durch die UB rund 30.000 Publikationsmeldungen erfasst, kontrolliert und bearbeitet. Jährlich kommen gut 4.500 Publikationen hinzu. Im Zusammenhang mit der neuen Uni-Website werden derzeit noch einmal rund 10.000 Publikationen vor 2014 eingearbeitet. Insgesamt 17 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Universitätsbibliothek arbeiten mit einem Teil ihrer Arbeitszeit an der Publikationserfassung.