Vom Sozialismus geprägt

Ein zweiter Blick in den EinBlick Ausgabe #7

Am 22. August 2024 übergab der Numismatiker Klaus Werner aus Magdeburg der Universitätsbibliothek Leipzig seine tausend Objekte umfassende Spezialsammlung von Medaillen aus der Produktion des VEB Walzwerk Hettstedt. Die Sammlung stellt einzigartiges Quellenmaterial zur DDR-Geschichte bereit und vermittelt in repräsentativer Breite, welche Anlässe des DDR-Lebens als denkwürdig und für eine feierliche Dokumentation in Medaillenform angesehen wurden.

Das Walzwerk Hettstedt wurde 1907 auf Beschluss der Mansfeldischen Kupferschiefer bauende Gewerkschaft gegründet. Im Fokus stand die Herstellung von vorgefertigten Rohmaterialien aus Kupfer und Messing. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es zunächst als Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft weitergeführt und schließlich ab 1954 als Volkseigener Betrieb der Deutschen Demokratischen Republik bis zu seiner Schließung im Jahr 1991 betrieben.

Im VEB Walzwerk Hettstedt wurden von 1968 bis 1990 circa 3.500 Medaillen auf Ereignisse der DDR-Gesellschaft geprägt. Aufträge dafür kamen von staatlichen Organen wie Ministerien, Nationaler Volksarmee, SED oder Freier Deutscher Jugend, aber zu einem beträchtlichen Teil auch von Städten und Gemeinden, von Betrieben und aus den Bereichen Sport und Kultur.

  • Leipzig, UB, Inv.-Nr. 2024/0083 (Avers) (Foto: UB Leipzig)

Die Hettstedter Medaillenproduktion zeichnet ein facettenreiches Bild der DDR aus ihrer eigenen Perspektive. „Die Sammlung Werner ergänzt in ihrer thematischen Geschlossenheit den umfangreichen Medaillenbestand der UB Leipzig um ein wichtiges Kapitel der Medaillengeschichte Ostdeutschlands in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.“, erklärte Dr. Anne Lipp, Direktorin der UB Leipzig, anlässlich der Übergabe der Schenkung.

Zu den Hintergründen und zur Geschichte der Sammlung

Ab Mitte 1955 begann man im VEB Walzwerk Hettstedt damit, Konsumgüter in Form von Besteck, Schüsseln, Milchkannen, Aluminium-Felgen für Fahrräder und Schnellkochtöpfen zu produzieren. Diese Produktion wurde in den Jahren 1968/1969 durch eine Souvenirabteilung ergänzt, die sich insbesondere der Herstellung von Medaillen widmete. Die ersten Handwerker zur Stempelherstellung wurden aus der Besteckherstellung des Werks selbst rekrutiert, sodass der Stahlgraveur Johann Härtel von 1968 bis 1973 die Medaillenfertigung betreute.

Ab 1974 begann das Team einer neuen Grafikabteilung, bestehend aus Hans-Werner Scharf, Marlit Kuminek (ab 1976) und Inge Strauß (ab 1979), die Medaillen zum Teil nach den Vorstellungen der Auftraggeber oder nach eigenen Ideen zu gestalten (so in einem Brief von Hans Werner Scharf vom 6. Dezember 2024).

Auswahl aus der Sammlung der „Hettstedt“-Medaillen (Foto: Olaf Mokansky)

Als Materialien wurden zunächst ausnahmslos 35 mm große Rohlinge aus Kupfer-Nickel verwendet. Ab 1984 stellte man die Rohlinge aus nickelplattiertem Stahl her, da das Kupfer durch die Rohstoffknappheit in der DDR nicht mehr verwendet werden durfte. Einzelne Prägungen in Kupfer, Messing oder Silber stellen Besonderheiten dar. Es handelt sich hier wohl eher um Probeprägungen oder um Auftraggeber, die das entsprechende Material zur Verfügung stellen konnten. Eine Stückzahl von mindestens 500 Medaillen je Auftrag wurde seitens des VEB Walzwerks festgelegt. Ein Auftrag mit einer solchen Mindestauflage konnte in zwei Schichten abgewickelt werden.

Der Ablauf eines Prägeauftrags wurde von Herrn Scharf wie folgt skizziert:

Die Auftraggeber kontaktierten die Absatzabteilung des Werkes und wurden dann im Betrieb vorstellig. Im Austausch mit dem Grafik-Team wurde die Gestaltung der Medaille besprochen, um die eventuellen Vorstellungen der Kunden sowie die eigenen Gedanken zu einem Thema zu besprechen. Die finalen Zeichnungsentwürfe mit einem Durchmesser von 175 Millimetern wurden dann auf 35 Millimeter verkleinert und an das Zentrale Warenkontor des Ministeriums für Handel und Versorgung der DDR in Berlin gesandt, um eine Freigabe für die Herstellung der Medaille zu erhalten. Nach der entsprechenden Genehmigung wurden die originalen Zeichnungen an das Druckhaus Freiheit, später an das Druck- und Verlagshaus Halle/Saale gesandt. Dort wurde das Motiv von der chemisch-grafischen Abteilung in Zinkplatten eingeätzt.
Das Motiv der Zinkplatte wurde dann im Werkzeugbau des VEB Walzwerk Hettstedt im Verhältnis 5:1 durch einen Kopierfräsmaschine in einen Prägestempel gefräst. Die Prägung selbst erfolgte dann mit einer Friktions-Spindelpresse der Firma Schuler.

Die Sammlung kommt an die UBL

Klaus Werner, in den 1970er/80er Jahren als Maschinenbauingenieur selbst beruflich immer wieder im Walzwerk, hatte in den vergangenen Jahrzehnten seine umfangreiche Sammlung an Hettstedter Medaillen zusammengetragen. Der persönliche Bezug sowie die Vielfalt der dargestellten Themen stellten für ihn den Reiz dieses Themas dar.

Blick in die Sammlung (Foto: UB Leipzig)

Bereits im Jahr 2023 stiftete er ein Teil seiner Sammlung mit Bezug zur Region Magdeburg an das Technische Museum seiner Heimatstadt Magdeburg. Den verbleibenden größten Teil seiner Hettstedt-Sammlung von exakt 1.000 Stück, die inhaltlich die gesamte Spannbreite im Walzwerk angefertigten Medaillen umfasst, übergab er dann 2024 der Universitätsbibliothek Leipzig.

Übergabe der geschenkten Medaillen 2024: Klaus Werner in der Mitte, Dr. Anne Lipp links und Dr. Christoph Mackert rechts von ihm (Foto: UB Leipzig)

Der geschlossene Erhalt seiner Sammlung ist nun für die Zukunft gesichert. In der Münzsammlung der UB Leipzig steht sie ab sofort für Forschung und Citizen Science dauerhaft zur Verfügung.

Die Veröffentlichung der Pressemitteilung zur Schenkung vom 22. August 2024 führte zu breiter medialer und öffentlicher Aufmerksamkeit. Ein wirklich besonderes Resultat war das darauffolgende Zusammentreffen des alten Grafikteams in Leipzig. Kollegen vom Team der Münzsammlung der UB Leipzig begrüßten am 16. Oktober 2024 Inge Strauß, Marlit Kuminek und Hans-Werner Scharf in den Räumen der Sondersammlungen. Das Grafik-Team war nach gut 35 Jahren auf diese Weise erstmals wieder vereint und genoss die Besichtigung der von ihnen gestalteten Medaillen.

  • Das Grafikteam Inge Strauß, Marlit Kuminek und Hans-Werner Scharf zusammen mit Thomas Uhlmann (Foto: Stefanie Wiederhold)

Dank ihrer Unterstützung konnten nun weitere Informationen, Originalentwürfe und eine Ätzplatte aus der Hettstedter Medaillenproduktion in den Bestand der UB Leipzig übergehen. So kann man feststellen, dass die Schenkung von Klaus Werner bereits die ersten Früchte trug.

Besondere Stücke dieser Sammlung stellen wir in Ausgabe #7 unseres EinBlicks vor. Bis 4. Mai. 2025 können Sie sie von 10 bis 18 Uhr besuchen und den Prägespuren des Sozialismus nachgehen.

  • Einblick in die Ausstellung EinBlick Ausgabe #7 (Foto: Olaf Mokansky)

Am 15. April findet außerdem anlässlich unserer Ausstellung ein Podiumsgespräch mit dem Titel „Medaillenregen in der DDR“ statt. Dort werden Sie Prof. Dr. Arnold Bartetzky (GWZO), Thomas Uhlmann und Dr. Christoph Mackert (UBL) begrüßen und über die visuelle Geschichtskultur der DDR im besonderen Format der Medaille diskutieren.


Weiterführende Literatur und Quellenangaben

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