Das MikroBIB-Projektteam auf Exkursion in die Zisterzienserklöster Buch und Altzelle
Kolleginnen und Kollegen des BMBF-geförderten Verbundprojekts der TU Braunschweig und der UB Leipzig ‚Kontamination und Lesbarkeit der Welt: Mikroben in Sammlungen zur Sprache bringen‘ haben Anfang September 2019 die ehemaligen Zisterzienserklöster Buch bei Leisnig und Altzelle bei Nossen besucht, genauer gesagt: deren bauliche Überreste.
Das Projekt
Im Kooperationsprojekt, an dem das Seminar für Philosophie der TU Braunschweig, das Leibniz-Institut DSZM-Deutsche Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen in Braunschweig und die UB Leipzig beteiligt sind, wird an einer Neubewertung von Mikroorganismen gearbeitet. Denn während inzwischen deutlich geworden ist, dass Mikroben in vielen Bereichen für den Menschen lebensnotwendig und nützlich sind, hält sich gleichzeitig beständig das Vorurteil, Mikroben seien gesundheitsschädlich und materialzersetzend.
Am Beispiel der DSMZ sowie ausgewählter Stücke aus dem mittelalterlichen Handschriftenbestand der UB Leipzig soll innerhalb des BMBF-Projekts danach gefragt werden, ob Mikroben wichtige Informationsträger für die Rekonstruktion der Geschichte eines Buchobjekts darstellen: ob sie eventuell Aufschluss über wichtige Stationen eines Buches geben oder ob auf ihrer Grundlage Aussagen zu Nachbarschaft mit anderen Büchern und damit zu einer gemeinsamen Provenienz bzw. Geschichte formuliert werden können.
Die Exkursion
Die Idee zu einer Exkursion in die Zisterzienserklöster Buch und Altzelle entstand, da einige der Handschriften, zu denen im Projekt Buchbiographien erarbeitet werden sollen, sich heute zwar in der UB Leipzig befinden, ursprünglich jedoch in einem der beiden Klöster geschrieben oder aber lange Zeit dort aufbewahrt wurden.
Den Hintergrund für diesen Besitz- und Ortswechsel bildet die Einführung der Reformation im albertinischen Sachsen in der Mitte des 16. Jahrhunderts: Im Zuge der Säkularisierung der traditionellen geistlichen Institutionen ab 1539 wurden die Klöster auch in diesem Gebiet aufgelöst und ihre Bücher zu weiten Teilen an die Universitätsbibliothek Leipzig verbracht, darunter auch über 320 Handschriften aus dem Zisterzienserkloster Altzelle und etwa zwölf Bände aus dem Zisterzienserkloster Buch.
Im Hinblick auf das Projekt und die Arbeit mit Mikroben sollte die Exkursion helfen, sich einen Eindruck zu verschaffen, wo und unter welchen Bedingungen Bücher vor Ort hergestellt und aufbewahrt wurden. Dabei waren auch die raumklimatischen Bedingungen, wie Heizmöglichkeiten und Raumfeuchte, von Interesse. Außerdem wurden die Baumaterialien (wie Ziegel, Mauerwerk oder Holz), aus denen die Klöster errichtet wurden, einbezogen.
Es wurden ganz speziell auch die Stellen besichtigt, an denen die Mönche in besonderem Maße mit Mikroben in Berührung kamen, wie beispielsweise in Kloster Buch das Necessarium (Abort) mit fließend Wasser, die Infirmerie (Krankenstation) mit Kapelle, das Dormitorium (Schlafraum) oder die Brauerei (heute Ruine).
Besonders eindrucksvoll waren die Nischen im Schlafraum der Mönche im Zisterzienserkloster Buch, die teilweise mit individuellen Verzierungen der Mönche versehen waren – und wo vermutlich auch Lektüre für die persönliche Andacht und Erbauung verwahrt wurde.
Wie geht es weiter?
Es darf gespannt auf den Fortgang des Projektes gewartet werden und darauf, was die Mikroben über die Wege der Bücher erzählen werden. Ob es wohl einen Buchtransfer zwischen den beiden Klöstern gab, die ja nur etwa 30 Kilometer voneinander entfernt an der Freiberger Mulde liegen? Und wenn ja, wann?
Diese Frage bietet sich nicht nur aufgrund der räumlichen Nähe der beiden Abteien an. Vielmehr haben sich aus dem 13. Jahrhundert auch sehr ähnliche Einbände bei den Handschriften aus Altzelle und Buch erhalten – gab es vielleicht in einem der Klöster in dieser frühen Zeit eine leistungsfähige Einbandwerkstatt, die für Altzelle und für Buch gleichermaßen gearbeitet hat?
Und: Warum sind überhaupt Handschriften aus Buch in die UB Leipzig gelangt, obwohl das Kloster sich gar nicht auf dem Gebiet des albertinischen Sachsens befand und schon ab 1525 aufgelöst wurde? Waren sie um 1540 vielleicht gar nicht mehr in Buch, sondern schon länger in Altzelle? Zum Beispiel seit 1365, als der Burggraf von Leisnig das Kloster niedergebrannt haben soll. Wurden die Bände vielleicht schon im mittleren 14. Jahrhundert nach Altzelle evakuiert?
Wenn das Projekt diese Buchwanderung mikrobiologisch nachweisen könnte, wäre der Kriegszug des Leisniger Burggrafen gegen das Kloster im Jahr 1365 weiter untermauert, der bislang in der Forschung umstritten ist.
Die Photos von der Exkursion sowie der Text stammen vom MikroBib-Team. Die Abbildungen der Handschriften und Einbände sind von der Digitalisierung der UB Leipzig angefertigt worden.
Liebe Frau Sturm,
ein sehr interessantes Projekt. Eine kurze Information über die verwendeten Mikroben und deren wissenschaftlicher Aufbereitung und Gewinnung, wäre eine gute Ergänzung.
Gibt es hierzu schon eine Publikation?
Beste Grüße
Stefan Fischer
Lieber Herr Fischer,
vielen Dank für Ihr Interesse an unserem Projekt und für Ihre Nachfrage. Leider sind die Methoden und Ergebnisse der Kollegin aus der Mikrobiologie noch nicht publiziert und müssen daher vertraulich behandelt werden. Was wir jedoch sagen können, ist, dass es nicht darum geht, Mikroben für bestimmte Zwecke gezielt einzusetzen, sondern um die Analyse der Mikroorganismen, die (noch) in den Handschriften zu finden sind. Wenn eine Veröffentlichung in diesem mikrobiellen Bereich erscheint, werden wir Sie gerne darüber informieren.
Viele Grüße
Regina Jucknies und Katrin Sturm