125: Pressemeldung vom 24. 10. 1891, Abends

Einweihung der Leipziger Universitätsbibliothek

Am heutigen Sonnabend vollzog sich […] die feierliche Weihe des […] Gebäudes der Universitätsbibliothek. Vormittag 11 Uhr versammelte sich der akademische Lehrkörper unserer Universität, an seiner Spitze der Rector Magnificus Hr. Geh. Hofrath Professor Dr. Binding, im Erdgeschoß des Bibliotheksgebäudes, in einem prächtig decorirten Raume, der eine stattliche, hochansehnliche Corona in sich sah. In der Mitte der Versammlung erschien Se. Exellenz der Hr. Staats- und Cultusminister Dr. v. Gerber, sowie Hr. Geheimrath Petzoldt-Dresden. Außerdem wohnten dem feierlichen Acte die Spitzen der Reichs-, Staats- und Stadtbehörden, sowie eine Reihe illustrer Persönlichkeiten Leipzigs als Ehrengäste bei. Die Feier selbst wurde mit Gesang eröffnet. Der Universitätssängerverein zu St. Pauli unter Hrn. Professor Dr. Kretzschmar’s Leitung stimmte eine für Männerchor vierstimmig componirte Hymne von Gluck an, ein weihevoller Sang von hoher Schöne.
leipziger-zeitungNunmehr sprach Se. Exellenz Hr. Staats- und Cultusminister Dr. v. Gerber etwa Folgendes: Schon seit langer Zeit hatte sich die Beobachtung aufgedrängt, daß eine Erneuerung, ein Umbau der Universitätsbibliothek ein dringendes, unabwendbares Bedürfniß sei. Die Zahl unserer Bücher wuchs von Tag zu Tag und nirgends war Raum für eine plan- und zweckmäßige Aufstellung derselben; selbst die Verwaltungsräume genügten nicht mehr den bescheidenen Ansprüchen und die Lo[k]ale zum Studium entsprachen nicht den geringsten Anforderungen. Se Majestät unser allergnädigster König hat daher zu genehmigen geruht, daß den Ständen des Landes ein entsprechendes Postulat vorgelegt wurde, ein Postulat, das Bewilligung fand. Hier ist zunächst nothwendig, der großen Verdienste zu gedenken, die der ausgezeichneten Baumeister um dieses Werk sich erworben. Sein vortrefflicher Plan wurde von allen anerkannt und gebilligt. […] Der Bau zeigt nach Außen hohe stilistische Schönheit, architektonische Erhabenheit, wie die Würde der Universität und der Bedeutung des Inhaltes dieses Hauses entspricht. […]

„Mehr Licht“, das werde der Wahlspruch dieses Hauses

Möge dieses herrliche Gebäude, dieses herrliche Monument auf Jahrhunderte hinaus der Centralsitz wissenschaftlicher Forschung und akademischen Studiums sein.
Hierauf sprach Rector Magnificus Hr. Geh. Hofrath Professor Dr. Binding folgendes Weihewort:

Ich weihe dieses Haus dem Dienste der Macht, die in allen Gliedern und in allen Anstalten den Stolz jeder Hochschule ausmacht: dem Dienste der Wahrheit. Helles Licht lebt in diesen schönen Räumen, „mehr Licht“, das werde der Wahlspruch dieses Hauses. Im Namen der Universität und des akademischen Senates taufe ich die Universitätsbibliothek: „Bibliotheca Albertina“ soll sie heißen. […] Im Namen und im Auftrag der Universität und des akademischen Senats gebe ich dem Bau den ersten Schmuck, ein köstliches Bildniß, die Büste des edlen Mannes (siehe Foto: Carl Friedrich Wilhelm von Gerber, 1823–1891), der dieses Haus heute seiner Bestimmung übergeben […] hat.

Die Grundsätze der Gerechtigkeit, der Hilfsbereitschaft und der unentwegt werkthätigen Liebe zum Wahrheitsdienst

Zum Schluß übergebe ich dieses neue Haus, diesen Schatz mit allen seinen Schätzen seiner Bestimmung, ich übergebe es seiner künftigen Verwaltung, drei Grundsätze ihr auf den Weg gebend: die Grundsätze der Gerechtigkeit, der Hilfsbereitschaft und der unentwegt werkthätigen Liebe zum Wahrheitsdienst. Solcher Geist walte von nun an in diesem Hause. Und nun Bibliotheca Albertina blühe, gedeihe, nutze! […]

Mit einem dreimaligen Hoch auf unsern allergnädigsten König und Herrn endete die treffliche Festrede. Mit dem Gesang des  „Salvum Fac regem“ – der „Paulus“ vermittelte ihn in machtvoller und erhebender Weise – schloß der feierliche Act. Die Festversammlung verfügte sich dann nach den einzelnen Räumen des imposanten Gebäudes, um deren eingehende Besichtigung vorzunehmen.

Auszug aus „Erste Beilage zur Leipziger Zeitung“ vom 24.10.1891

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