Der XV. IADA-Kongress zu Gast in Leipzig

Blick in das Foyer der Bibliotheca Albertina. Im Vodergrund sieht man ein Plakat zum IADA-Kongress.

Die UBL als Gastgeberin und unverzichtbarer Knotenpunkt für Restaurator*innen aus aller Welt

Aller vier Jahre findet er statt: der internationale Kongress für Archiv-, Bibliotheks- und Grafikrestaurator*innen und dieses Mal so nah wie noch nie. Halle und Leipzig waren im Oktober 2023 Gastgeberstädte für die XV. Ausgabe der renommierten Veranstaltung. Im Anschluss an drei Tage mit vielfältigen Fachvorträgen, die in der Georg-Friedrich-Händelhalle (Halle/S) stattfanden, luden am 19. und 20. Oktober zahlreiche Institutionen beider Städte zu Projektpräsentationen und Workshops aus dem Berufszweig der Papierrestaurator*innen ein. Mit über 120 Besucher*innen in nur zwei Tagen war die Universitätsbibliothek Leipzig (UBL), genauer gesagt der Standort Bibliotheca Albertina, ein äußerst attraktiver Anlaufpunkt für die Expert*innen. Fünf Veranstaltungen gewährten Einblick in die Bearbeitung von seltenen Seidenrollen aus den Beständen der UBL, die Herstellung und Installation der Papyrus Ebers Replik, Grundlagen der Notfallplanung für Archive und Bibliotheken, die Anfaserung geschädigter Papiere sowie die Zusammenarbeit der Abteilungen Handschriftenforschung und Restaurierung. Die Wissensvermittlung und der Austausch mit den internationalen Gästen über restauratorische und wissenschaftliche Prozesse an der UBL standen dabei im Fokus.

Schriftrollen aus Seide

  • Mehrere Personen stehen um einen Tisch herum, auf dem eine beschriebene Seidenrolle ausgebreitet ist.
    Ein besonderer Moment für die Gäste im Vortragssaal: die historischen Seidenrollen aus nächster Nähe zu betrachten.
  • Mehrere Personen stehen um einen Tisch herum, auf dem eine beschriebene Seidenrolle ausgebreitet ist.
    Frage und Antwort bei der Präsentation der Seidenrollen
  • Mehrere Personen stehen um einen Tisch herum, auf dem eine beschriebene Seidenrolle ausgebreitet ist.
    Frage und Antwort bei der Präsentation der Seidenrollen

Zu den Beständen der UBL zählt ein Konvolut von 38 asiatischen Schriftrollen aus Seide. Es handelt sich um Urkunden aus dem 17./18. bzw. 19. Jahrhundert, welche die Bestellung von Beamten durch die kaiserliche Kanzlei belegen. Da diese restaurierungsbedürftig waren, wurde im Rahmen eines Pilotprojekts für beispielhafte Schadensbilder ein Konzept zur Restaurierung und Konservierung entwickelt. Ihre Materialkombination aus Papier und Textil machte eine fachübergreifende Zusammenarbeit erforderlich. Auf den ersten Blick scheinen beide Materialien in Handhabung und Eigenschaften sehr ähnlich zu sein, sind jedoch bei genauerer Betrachtung oft gegensätzlich. Für den Kongress schlossen sich Prof. Dr. Elisabeth Kaske (Professorin für Gesellschaft und Kultur des modernen China), Uwe Löscher (Werkstatt für Papier- und Buchrestaurierung in Leipzig) und Edda Säuberlich (selbstständige Textilrestauratorin in Dresden) zusammen, um die Geschichte der Urkunden und das Restaurierungsprojekt zu beleuchten. Unter anderem wurde die Behandlung von saurem Papier und die behutsame Befeuchtung der empfindlichen Materialien, die nähtechnische Sicherung fragiler Bereiche sowie die schonende Aufbewahrung der teilweise über drei Meter langen Objekte thematisiert. Das Fachpublikum tauschte sich mit den Vortragenden intensiv über die Seidenrollen und die Annäherung an die restauratorischen Lösungsansätze aus. Solche Objektbesprechungen sind essenziell in der Welt der Restaurator*innen, um den anspruchsvollen und einzigartigen Kulturschätzen respektvoll, mit Bedacht zu begegnen und sachgemäße Restaurierungsmethoden zu etablieren.

Die Dauerausstellung der Papyrus Ebers Replik im Foyer der Bibliotheca Albertina

Ein Raum mit schwarzen Wänden und einer Glasvitrine. In der Vtrine ist ein Papyrus ausgestelt, an den Wänden sind weiße Beschreibungstexte auf deutsch und englisch zu sehen.
Blick in den Schauraum Papyrus Ebers, Foto: Fanny Barthold
Eine Person steht vor einer Glasvirtrine, in der ein Papyrus ausgestellt ist. Die Person hält ein großes Stück Papyrus in der Hand.
Anna Wypych (UBL), Foto: Julia Miszczuk-Küster

Dr. Lutz Popko (Sächsische Akademie der Wissenschaften zu Leipzig) und Anna Wypych (Restaurierungswerkstatt UBL) stellten die einzigartige Entwicklungsgeschichte des Schauraum Papyrus Ebers im Foyer der Bibliotheca Albertina vor. Herr Popko schilderte die historischen und inhaltlichen Hintergründe zur längsten und einzig vollständig überlieferten Schriftrolle altägyptischer Heilkunde. Anna Wypych gab Einblick in den Herstellungsprozess der 18,60 Meter langen Replik in Form eines zweifarbigen Siebdruckes auf echtem Papyrus. Für das Fachpublikum war insbesondere der Vitrinen-Prototyp und die herausfordernde Installationstechnik von großem Interesse.

Mehrere Personen stehen in einem abgedunkelten Ausstellungsraum um eine Glasvitrine herum. In der Vitrine hängt ein Papyrus.
Während der Führung im Schauraum Papyrus Ebers mit Dr. Lutz Popko

Die „Leipziger Papyrushängung“ ist eine Entwicklung des Teams der Restaurierungswerkstatt der UBL. Sie zeichnet sich durch den minimalistischen Einsatz von Trägermaterialien aus, welche die Schriftrolle schweben lassen. Das Objekt ist sicher installiert, jedoch frei in seiner Bewegung, die das natürliche Trägermaterial Papyrus benötigt, um auf minimale Klimaschwankungen reagieren zu können ohne Schaden zu nehmen. Diese objektschonende und dabei ästhetisch ansprechende Präsentation ist vorbildhaft für vergleichbare Objekte. Zu Beginn diesen Jahres wurde das Restaurator*innenteam der UBL nach Incheon (Südkorea) eingeladen, um eine Papyrusrolle ganz ähnlich zu installieren. Im Rahmen der Präsentation in der UBL konnten sich die Restaurator*innen über verwendete Materialien und innovative Lösungswege austauschen, die in den Aufgabenbereich des Austellungsaufbaus fallen, welcher vom Restaurator*innenteam der UBL seit vielen Jahren abgedeckt wird.

Anfaserung 2.0 – neue Möglichkeiten einer altbewährten Restaurierungsmethode

Gangolf Ulbricht (Papiermacher, Berlin) und Fanny Bartholdt (Restaurierungswerkstatt UBL) vertieften mit den Teilnehmer*innen in einem mehrstündigen Workshop die Verwendung historischer Faserstoffe beim Anfasern von Papier. Die Anfaserung ist ein spezieller Arbeitsprozess in der Restaurierung, bei dem Fehlstellen in Papier mittels aufgeschwemmter Papierfasern angegossen werden. Die Zusammensetzung der Faserstoffe und Bezugsquellen sind breit gefächert. Um qualitativ hochwertige Ergebnisse zu erzielen, optimieren die Restaurator*innen der UBL auch nach vielen Jahren des Praktizierens immer wieder ihre Arbeitsschritte, denn jedes historische Papier ist anders und bedarf der Anpassung gängiger Restaurierungsmethoden. Bei der Anfaserung ist die Stoffzusammensetzung des Ergänzungsmaterials wesentlich, um eine bestmögliche Anpassung an das Original zu erreichen. Ausgangspunkt sind Jute-, Hanf-, Baumwoll- oder Zellulosefasern, deren Eigenschaften gezielt in das Produkt einkalkuliert werden. Ihre Aufbereitung, Zusammensetzung und die Steuerung des Anfaserungsprozesses wurden in dem Workshop thematisiert. Gangolf Ulbricht brachte dabei sein umfassendes Wissen über die Rohstoffe und ihre Verwendung in die Diskussion mit ein. Fanny Bartholdt demonstrierte das Anfasergerät der UBL und auch die Teilnehmer*innen nutzten die Chance, einzelne Techniken auszuprobieren. Auch über die nachfolgenden Arbeitsschritte der Nachleimung, Trocknung und Zurichtung der angefaserten Papiere tauschten sich die Teilnehmer*innen aus. So profitierten auch die Gastgeber*innen von dem Erfahrungsaustausch, Rückfragen und Empfehlungen ihrer Kolleg*innen, um bei ihrer Arbeit weiterhin kreativ zu bleiben.

  • Eine Person spricht zu einer Gruppe von Menschen.
    Gangolf Ulbricht während des Workshops in der Restaurierungswerkstatt der UBL
  • Eine Person spricht zu einer Gruppe von Menschen. Im Hintergrund sind Geräte und Maschinen der Restaurierungswerkstatt zu sehen.
    Fanny Barthold während des Workshops in der Restaurierungswerkstatt der UBL
  • Drei verschiedene Materialien, die für den Anfaserungsprozess benötigt werden.
    Rohstoffe für die Anfaserung

E – like Emergency – Notfallplanung für Bibliotheken und Archive

In bewaffneten Konflikten oder bei Katastrophen ist die Kultur aufgrund der ihr innewohnenden Verletzlichkeit und ihres großen symbolischen Wertes besonders gefährdet. In einem Workshop von Marc Holly (Beratungsstelle Bestandserhaltung Sachsen-Anhalt), Nadine Thiel (Stadtarchiv Köln) und Christiane Hoene (Stadtarchiv Halle/S) wurden Erfahrungen mit der Notfallvorsorge und -bewältigung ausgetauscht. Die Teilnehmer*innen aus Ungarn, England, den Niederlanden, Österreich, Deutschland und der Schweiz brachten in drei Gesprächsrunden ihre Erfahrungen ein. Moderiert von den Referent*innen wurden die Themen Risikoanpassung, Notfallteams und lokale Netzwerke sowie Materialien für die Erstversorgung von Kunst- und Kulturgut besprochen.

Blick in einen Raum mit vollen Bücherregalen an den Wänden. An mehreren Tischen sitzen Personengruppen zusammen und scheinen gemeinsam zu diskutieren.
Austausch in Kleingruppen im Workshop „E – like Emergency“, Foto: Anna Wagner

Im zweiten Teil wurden verschiedene Herangehensweisen an eine Notfallübung im eigenen Haus in Gruppen erarbeitet. Im Austausch wurde deutlich wie entscheidend es ist, das eigene Bewusstsein für die Notfallvorsorge und die richtige Reaktion im Schadensfall zu schärfen. Bei allen nationalen Unterschieden zeigte sich, wie wichtig der Faktor Mensch für die Bewahrung des kulturellen Erbes ist – gute Kommunikation, im Alltag wie im Schadensfall, spielt dabei eine zentrale Rolle.

Handschriftenzentrum und Restaurierungsabteilung – Schnittstellen und Synergieeffekte

An der UBL arbeitet mit dem Leipziger Handschriftenzentrum ein Team von Mitarbeiter*innen, um gemeinsam die Erschließung, Digitalisierung und Informationsbereitstellung von und zu Buchhandschriften des Mittelalters und der Frühen Neuzeit voranzutreiben. Durch die enge Zusammenarbeit mit der Restaurierungsabteilung im Haus ergeben sich erfahrungsgemäß Chancen, in einem Miteinander nicht nur Objekte zu schützen, sondern ihnen auch ihre besonderen und ganz eigenen Geheimnisse zu entlocken. Dr. Christoph Mackert und Katrin Sturm (Handschriftenzentrum UBL) sowie Fanny Bartholdt (Restaurierungswerkstatt UBL) gaben einen Einblick in Bearbeitung seltener Handschriften und wie Restaurierung hier helfen und sogar Fragestellungen initiieren kann. Wie ist das Buch hergestellt worden? Wer hat die Handschrift in den letzten Jahrhunderten benutzt und verändert? Welche Aussagen sind gesichert und was ist Spekulation? Wie kann man dem Objekt bislang verborgene Informationen entlocken und seine Geschichte so detailliert wie nie zuvor beschreiben?

Blick in einen Raum mit vollen Bücherregalen. Eine Person steht neben einem großen Bildschirm auf dem Fotos historischer Bücher zu sehen sind. Im Vordergrund des Bildes sieht man Personen im Publikum sitzen.
Katrin Sturm präsentiert die Arbeit des Leipziger Handschriftenzentrums an der UBL

In einer Diskussionsrunde hatten die Teilnehmer*innen die Möglichkeit nachzuhaken: Wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb der UBL und was sind die Synergieeffekte, wenn beide Abteilungen respektvoll und ganz selbstverständlich zusammenarbeiten? Die Resonanz war eindeutig: Die UBL ist beispielhaft dafür, Arbeitsstrukturen zu ermöglichen, welche die Kompetenzen der verschiedenen Abteilungen zusammenbringen und tolle Forschungsergebnisse hervorbringen, wie das Beispiel des Meister-Eckhart-Funds an der UBL in diesem Jahr zeigte.

Fazit

Die Workshops, welche von den Mitarbeiter*innen der UBL für den XV. IADA-Kongress organisiert wurden, zeigen, wie vielfältig der Berufszweig der Restaurator*innen in einem professionellen Umfeld aufgestellt sein kann. Nicht nur die Arbeit an den wertvollen Originalen, sondern auch Ausstellungstechnik, das Nofallmanagement und die Forschung sind wichtige Aspekte, wenn es um eine ganzheitliche Ausübung des Berufs geht. Der Kongress bot die Gelegenheit, die Teilnehmer*innen in die UBL einzuladen und Wissen zu teilen, aber auch davon zu profitieren, dass sich in so kurzer Zeit so viele Restaurator*innen versammeln und austauschen wollten.

Fanny Bartholdt

Fanny Bartholdt ist Restauratorin in der Restaurierungswerkstatt der Universitätsbibliothek Leipzig.

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