Quasi als Neujahrsgeschenk für das Jahr 2018 begannen im Januar letzten Jahres die brandschutzbedingten Baumaßnahmen in der Bibliotheca Albertina. Hört sich vielleicht nicht so dramatisch an, ist es aber. Denn es stellte sich heraus, dass sich hinter dem Begriff „umfassende Baumaßnahmen“ letztlich das Auf-den-Kopf-stellen der ganzen Bibliothek verbirgt.
Leitungen müssen neu gelegt, Decken ab- und wieder aufgehängt werden, es sind Kernbohrungen nötig, Einhausungen, Anbringen neuer Brandmelder, 7-maliges Streichen aller Metallsäulen und -träger, Aus- und Wiedereinbau von Brandschutztüren, Einbau eines riesigen Jet-Ventilatoren in der Kuppel, um im Brandfall die Entrauchung abzusichern; Austausch von Tresortüren, Umbau der historischen Türen im Rahmen moderner Brandschutzbestimmungen, Überprüfen und Nachrüsten von Fenstern, etc. Und das zieht sich durch das gesamte Gebäude, in jeder Etage, vom Keller bis unters Dach.
Natürlich verbunden mit einer unglaublichen Menge an Unordnung, Staub, Schmutz, Chaos. Vom Lärm einmal ganz abgesehen.
Vor diesem Hintergrund grenzt es schon fast an ein Wunder, dass der reguläre Bibliotheksbetrieb – mit allen gegebenen Einschränkungen – aufrecht erhalten werden kann. Das war uns im Sinne unserer Nutzerinnen und Nutzer extrem wichtig.
Man ahnt vermutlich schon an dieser Stelle, dass dieses Vorhaben eine Herausforderung auf ganz unterschiedlichen Ebenen ist. Für die Bauleitung, für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der UB und vor allem natürlich unsere Nutzerinnen und Nutzer.
Um möglichst viele Arbeitsplätze und vor allem auch den Zugang zu den Beständen mit so wenig wie nötigen Einschränkungen gewährleisten zu können, sollten die Arbeiten abschnittsweise durchgeführt werden. Wir stellten uns das ein wenig wie eine stetige „Wanderbaustelle“ vor, abschnittsweises Elend sozusagen. Aber es kam ganz anders.
Damit eine sogenannte Baufreiheit entsteht, müssen jeweils vor Beginn der Maßnahmen sämtliche Bücher des betroffenen Bereichs umgesetzt, Regale abgedeckt oder abgebaut, Möbel eingelagert, Strom, Licht, Elektro vorbereitet werden. Eine unglaubliche Planerei, die hier geleistet werden muss.
Gut, dass es das Offene Magazin gibt, in dem schon in Vorbereitung der Arbeiten Platz geschaffen wurde, um dieses Tetris-Spiel überhaupt in Angriff nehmen zu können. Ohne diese Möglichkeit einer Interim-Aufstellung, wäre ein laufender Betrieb nicht zu realisieren. Man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: Schlussendlich werden im gesamten Bauablauf mehr als 280.000 Bände aus den Freihandbereichen mindestens einmal, meist mehrmals angefasst und umgesetzt. Ein Lichtblick für uns: Da nun sowieso alles angefasst werden muss, kann in diesem Zuge auch die Aufstellung und Präsentation der Bestände optimiert werden.
Auch sollen, soweit es möglich ist, gleich zusätzlich anstehende Arbeiten miterledigt werden. Bietet sich ja an, wenn denn schon die Wände, Böden, Decken aufgerissen sind. So profitieren wir streckenweise z. B. von neuen Daten- oder Stromleitungen. Insgesamt aber ist es so, dass man am Ende der Maßnahmen meist nicht sieht, was da eigentlich alles passiert ist. Wie heißt es schon im kleinen Prinz: „Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“
Doch manches wird man sehen – oder auch damit besser sehen – zum Beispiel wird es künftig für das ganze Gebäude ein wunderbares neues Lichtkonzept geben: alles auf neuestem technischen Stand, ermüdungsfrei und konzentrationsfördernd.
Das kann man übrigens im Kleinen schon jetzt bewundern, nämlich im fertig gestellten Abschnitt der Germanistik in der ersten Etage im Ostflügel der Albertina. Die Lesebereiche dort sind wirklich sehr schön geworden. Während der Bauphase war das noch kaum vorstellbar!
Leider funktioniert aber unsere Idee der „Wanderbaustelle“ nicht immer so, wie wir uns das wünschen. Denn – um ein Beispiel zu nennen – Leitungen haben die unangenehme Eigenschaft, sich nicht auf einen Abschnitt zu begrenzen sondern sie ziehen sich durch das ganze Gebäude.
Für die betroffenen Gewerke ist das natürlich sehr unschön, immer auf halber Strecke innehalten zu müssen. Aus der Sicht der Handwerker und natürlich auch der Bauleitung würde wohl vieles deutlich schneller und effektiver vorangehen, gäbe es uns alle und die ganzen Bücher, Regale und sonstigen Widrigkeiten einer gut besuchten Bibliothek nicht.
Viele Bohrarbeiten dürfen beispielsweise nur bis zu einer bestimmten Uhrzeit durchgeführt werden (erklären Sie das mal dem Trockenbauer!). Die betroffenen Bereiche müssen staubsicher abgedeckt, eingetütet und behütet werden.
Nach Abschluss der Bauabschnitte wird alles wieder frisch gestrichen, ausgepackt, geputzt, gesaugt, gewischt, eingeräumt und auf Hochglanz gebracht. Und wehe, etwas muss nachgebessert werden, dann geht das Elend wieder von vorne los. Eine wahre Sisyphos-Arbeit manchmal.
Die ursprüngliche Prognose über das Ende der Maßnahme lautete übrigens einmal: Ende 2020. Allerdings wissen wir jetzt schon, dass uns (und damit leider auch Sie) dieses Thema noch um einiges länger begleiten wird.
Da fragt man sich schon ab und an (mit leisem oder lautem Stoßseufzer): Wozu das alles? Ist das nicht etwas übertrieben?
Doch nur ein Gedanke an Notre Dames oder den verheerenden Brand in der Anna Amalia in Weimar und wir wissen: So schnell kann das gehen. Das hilft uns dann beim Zähne zusammenbeißen und durchhalten.
Und wenn es für Sie mal ganz schlimm kommt und es mal wieder brummt und bohrt: Wir haben immer ein Set Ohrenstöpsel für Sie bereitliegen und helfen gerne (wenn wir denn können), mit Ihnen zusammen zu überlegen, in welchem Gebäudeteil Sie der aktuellen Wanderbaustelle am weitesten entfernt sind. Oder an welchen unserer anderen Standorte Sie vielleicht ausweichen könnten.
In diesem Sinne: Bleiben Sie uns gewogen!
Toller Artikel, in einem wunderbaren Stil verfasst! Und: Danke für die Infos
Danke für die Anteilnahme und die Ermöglichung von Anteilnahme! Danke, dass Sie zeigen, dass alle Beteiligten (ansprechbare) Menschen sind. – Ein schöner Artikel, der die ganze Frustration beantwortet und auffängt.