Vor fast genau 35 Jahren wurde am 18. September 1988 die „Magna Charta Universitatum Europaeum“ in Bologna unterzeichnet. Noch älter ist die Städtepartnerschaft zwischen Leipzig und Bologna. Diese besteht seit 1962 und wurde 1997 durch beide Städte erneuert. Wie wird nun aber die Partnerschaft zwischen der Universität Leipzig und der bereits seit 1088 bestehenden Universität von Bologna eigentlich gelebt?
Für mich als Leiter der Restaurierungswerkstatt der Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) spielt das Projekt zur Erhaltung, Restaurierung und Konservierung der Papyrussammlung an der Universitätsbibliothek Bologna hier eine ganz besondere Rolle. Es stellt eine ganz wunderbare Verbindung zur „Magna Charta Universitatum Europaeum“ dar. Die Universität Leipzig zählt zu einer der ersten Unterzeichnerinnen der Charta, mit der grandiosen Idee die Universitätstraditionen anzuerkennen, zu feiern und die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten weltweit zu fördern und zu verknüpfen. Inzwischen sind bereits 975 Universitäten aus 94 Ländern dazugehörig.
Nun hatte ich beziehungsweise die UBL das Glück, zum 35. Jahrestag der Charta ein Teil dieser Idee zu sein und sie mit Leben zu füllen. Über Fabian Reiter, Professor für Papyrologie an der Universität Bologna, wurde die Anfrage an die UBL gerichtet, ob wir die Kolleg*innen in Bologna bei der Erhaltung ihrer Papyrussammlung unterstützen könnten.
Reiter war es gelungen, Gelder für das Material sowie für die entstehenden Reisekosten einzuwerben, wodurch der Universität Leipzig keinerlei Kosten entstehen würden. Diese großartige Form der Zusammenarbeit erfüllt die Idee der Charta auch heute noch vollkommen. So konnte ich vom 13. September bis zum 17. September 2023 nach Bologna reisen, um in der dortigen Universitätsbibliothek die letzten Restaurierungsarbeiten an den Papyrusfragmenten vorzunehmen.
Die Krönung des Projektes stellte die Ausstellung und die Überarbeitung des Kataloges der Sammlung dar. Für die Ausstellung selbst wurden Videoaufnahmen angefertigt, in denen alle beteiligten Personen befragt und deren Tätigkeiten näher erläutert wurden. Dies soll versuchen, den Besucher*innen die Realitäten der Arbeiten näher zu bringen und zu illustrieren. Für mich bedeutete das, einen Vortrag zu halten, einer Gruppe von Studierenden die Restaurierungsarbeiten zu erläutern und natürlich die Arbeiten an den Papyrusfragmenten zu demonstrieren, welche im Mittelpunkt meines Besuches standen.
Das hieß, die alten Papyrusverglasungen zu öffnen, vom Karton abzulösen, eine Trockenreinigung vorzunehmen, lose Papyrusteile zu festigen und teilweise zu glätten, um sie dann wieder an ihren ursprünglichen Platz legen zu können. Besonders erfreulich waren die verborgenen Überraschungen, die während der Restaurierungsarbeiten hervortraten. Bisher hatten die Betreuenden der Sammlung immer gedacht, dass die Rückseiten der Papyrusfragmente unbeschrieben waren. Umso größer war die Freude, als auf drei Fragmenten Schriftspuren auftauchten. Dabei konnte auch ein Stempelabdruck entdeckt werden, welcher damals keinerlei Beachtung gefunden hatte.
Ein weiteres Highlight stellte eine halbe Wachstafel dar. Diese war recht „unsicher“ aufbewahrt und konnte so nicht ausgestellt oder gar benutzt werden. Hier wendete ich eine Dreifach-Verglasung an. Das Objekt wurde in einer auf das Format zugeschnittenen Vertiefung im Glas befestigt. Dieses wurde daraufhin beidseitig mit zwei Glasplatten verschlossen und gesichert. Mit dieser Form der Aufbewahrung konnte das Stück zu einem Prunkstück der Sammlung aufsteigen.
Bemerkenswert war das große Interesse sowie die Unterstützung der italienischen Kolleg*innen der Bibliothek selbst. Um die Fortschritte des Restaurierungsprozesses zu begutachten, kamen die Mitarbeitenden immer wieder neugierig in die Werkstatt, welche mir vor Ort freimütig überlassen wurde.
In diesem Kontext ist es wichtig zu verstehen, dass auch Italien als europäisches Land unter fehlenden Mitteln im kulturellen Bereich leidet. So „kämpfen“ die Kolleg*innen und vor allem der Direktor der Biblioteca Universitaria in Bologna um jeden Arbeitsplatz, um eine stabile Klimaanlage, kurz gesagt: um jeden Euro. Dies wurde auch bei der Ausstellungseröffnung selbst deutlich, bei der Herr Reiter beispielweise die Mittel für das Catering eigens beschaffen musste.
Diese Episode zeigt aber gleichzeitig auch die Notwendigkeit der geleisteten „Amtshilfe“, welche damit als Sinnbild für eine moderne und wirkliche Hilfe, ganz im Sinne der jahrzehntelang bestehenden „Magna Charta Universitatum Europaeum“ zu verstehen ist. Es lässt mich hoffen, dass wir als UBL auch weiterhin Teil der gelebten Partnerschaft sind und wir uns gegenseitig mit unserem Fachwissen, Methoden und Können unterstützen werden. Dies zum einem als lebendige Ausgestaltung der Charta und zum anderen als Zeichen einer guten europäischen Zusammenarbeit.
Alle Fotos: Jörg Graf