Open Access als Gemeinschaftsprojekt

fliegende Bücher als sinnbild für Bücher mit freien Zugriff

Zehn Jahre Pledging mit Knowledge Unlatched

Vier bunte, schematisch dargestellte Hände, die ineinander greifen, als Illustration von Zusammenarbeit

Die verlässliche Finanzierung von Open-Access-Publikationen stellt Autor*innen, Verlage und Bibliotheken weiterhin vor große Herausforderungen. Im Laufe der letzten Dekade entstanden allerdings diverse Lösungsansätze für eine faire und transparente Finanzierung von Open-Access-Publikationen. Kollaborative Initiativen sind dabei ein wichtiger Hebel, um die finanziellen Belastungen auf viele Schultern zu verteilen. Der Open-Access-Dienstleister Knowledge Unlatched (KU) ist seit nunmehr zehn Jahren im sogenannten „Freikauf“ von Büchern durch Bibliotheken aktiv und entwickelt sein Dienstleistungsportfolio stetig weiter. Grund genug einen kurzen Blick auf die Entwicklung des Unternehmens zu werfen.

Initialzündung

Foto von Fracis Pinter mit einer Brille in der Hand und einem Bücherregal im Hintergrund.
Francis Pinter ist eine britische Verlegerin und Open-Access-Pionierin.

Knowledge Unlatched („entsperrtes“ oder etwas freier übersetzt „entfesseltes Wissen“) entstand aus einer Vision von Francis Pinter im Jahr 2012 und entwickelte sich zunächst in Großbritannien als Dienstleister im Open-Access-Publishing. Ziel war es, Bücher aus den Geistes- und Sozialwissenschaften Open Access zu stellen. KU sollte dabei als ein Mittler zwischen Bibliotheken und Verlagen arbeiten, der die Infrastruktur zum Freikauf (unlatching) von sonst kostenpflichtigen Büchern (und später auch Zeitschriften) zur Verfügung stellt. Dabei werden beim Pledging die Kosten paritätisch zwischen den Bibliotheken und Verlagen geteilt.

Geschäftsmodell und Auswahlverfahren

Schematische Darstellung der Beziehung zwischen Verlagen, Bibliotheken und Biobliotheken mit dem Ziel der Open-Access-Stellung.
Knowledge Unlatched arbeitet als Vermittler zwischen Verlagen und Bibliotheken.

Im Auswahlprozedere der Bücher für den Freikauf werden zahlreiche Titel von Verlagen angeboten, von Bibliothekar*innen ausgewählt und schließlich eine Liste für die Pakete erstellt. Die Bücherzahl in den Paketen ist dabei viel kleiner als die Anzahl der angebotenen Bücher. Dieses weltweite Auswahlverfahren des Title Selection Committees wird von KU koordiniert. Auch drei Fachreferent*innen der UB Leipzig – Dr. Claudia Jirausch, Silvio Reisinger und Dr. Sophia Manns-Süßbrich – engagieren sich bereits seit 2018 in den Auswahlgremien und gestalten damit die jährlichen Pledging-Runden aktiv mit. Auf diese Weise werden relevante, aktuelle und hochwertige Publikationen ausgewählt.

Übersicht der elf KU-Pakete: KU Select 2014, SDG Books, SDG Videos, Anthropology, Linguistiks, Politics, Sociology, STEM, Spotlights, Pedagogy, Open Infrastructures
Übersicht der verschiedenen angebotenen KU-Pakete.
https://knowledgeunlatched.org/

Nach der Zusammenstellung der nunmehr verschiedenen thematisch sortierten Listen durch Expert*innen können die Bibliotheken die für sie passenden auswählen und sich an der OA-Stellung finanziell beteiligen (Pledging). Finden sich in einem Pledging nicht genügend „Befreier“, dann können die auf der Liste befindlichen Titel nicht Open Access gestellt werden; finden sich dagegen mehr, wird der Preis für alle beteiligten Institutionen günstiger. Alle freigekauften Titel haben einen Peer-Review-Prozess durchlaufen und werden unter eine Creative-Commons-Lizenz gestellt, auf der Hosting-Plattform OAPEN digital im Open Access publiziert und in der Open Research Library verzeichnet.

Die Modelle und Pakete passten sich im Laufe der vergangenen Jahre immer wieder den Bedürfnissen und Entwicklungen des Marktes an. Dem einstigen „Flaggschiff“, der HSS Collection, folgten die thematischen Buchpakete KU Select. Seit diesem Jahr orientieren diese sich inhaltlich u. a. an den Nachhaltigkeitszielen
(Sustainable Development Goals, kurz SDG) der Vereinten Nationen.

Schematische Darstellung der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen. Symbole Kacheloptik, farblich abesetzt.
Hier sieht man die 17 verschiedenen Nachhaltigkeitsziele der UN, auf die sich auch KU bezieht.
https://unric.org/de/17ziele/

Auch die Universitätsbibliothek Leipzig beteiligt sich seit 2015, also seit acht Jahren, am Pledging diverser Kollektionen. Alle Open-Access-Titel, egal ob sie von der UB Leipzig unterstützt wurden oder nicht, gelangen über Metadatenschnittstellen in den Katalog der UB Leipzig und stehen damit unseren Nutzer*innen zur Verfügung.

Seit der ersten KU-Pledging-Runde wurden über 4.000 Titel im Open Access veröffentlicht, hinzu kommen mehr als 50 Journals, die frei lesbar sind. Und auch die folgenden Zahlen zeigen, wie stark sich KU als Dienstleister auf dem Open-Access-Markt entwickelt hat. International beteiligen sich mehrere hundert Institutionen sowie über 100 Verlage an den KU-Initiativen. Zudem arbeitet KU mit zahlreichen Partner*innen in unterschiedlichen Sparten zusammen.

Screenshot von der KU-Webseite mit folgenden Daten: über 4.000 Books, über 670 Libraries, mehr als 100 Verlage, mehr als 50 Journals.
https://knowledgeunlatched.org/

Entwicklung und Ziele

Anhand dieser Zahlen wird der Bedarf an internationalen Lösungen für das Open-Access-Publizieren anschaulich und nachvollziehbar. KU ist dabei eine Möglichkeit unter einer wachsenden Zahl an Möglichkeiten, die auch die großen Anbieter von Publikationsdienstleistern anziehen. Im Jahr 2021 wurde das bis dahin eigenständig agierende Unternehmen an den Publikationsriesen Wiley veräußert, was innerhalb der Open-Access-Community durchaus auch kritisch bewertet wurde, will man sich doch gerade im Open-Access-Bereich von den Großanbietern emanzipieren.

Abbildung von 52 großen Themenfeldern in Kacheloptik mit Imagefotos, die die Open Research Library derzeit abdeckt.
Themenvielfalt in der Open Research Libray.
https://openresearchlibrary.org/home

Die Ziele von KU bleiben dennoch weiter ambitioniert und nutzungsorientiert. Die Open Research Library, als derzeitiges KU-Großprojekt, will eine weltweite Datenbank für qualitätsgeprüfte OA-Bücher, aber auch Artikel und Videos werden. Das Hosting soll hierbei auf einer nutzer*innenfreundlichen Plattform zusammengeführt werden. Dazu werden Nutzungsdienste, wie Lesezeichen setzen oder Notizen und Listen erstellen, bereits jetzt angeboten; laufende Entwicklungen haben schließlich den Aufbau einer ganzen virtuellen Arbeitsumgebung zum Ziel. Die Nutzung der Dienste soll kostenlos bleiben, aber auch hier soll der Aufbau der Infrastruktur kollektiv durch ein Mitgliedschaftsmodell finanziert werden.

Doch nicht nur Dienstleistungen für die lesenden Nutzer*innen werden entwickelt, sondern zugleich Services und Tools für die Arbeit in Bibliotheken und Forschungseinrichtungen, um dort die Workflows zur Verwaltung von Open-Access-Publikationen und der Bezahlung sowie dem Controlling von Open-Access-Kosten effizienter zu gestalten. Das interoperable Management-Tool OABLE ist hierfür ein weiteres Kind aus der KU-Werkstatt.

Zum Geburtstag wünschen wir alles Gute, weiterhin viele kreative Ideen und zahlreiche Kinder in der Welt des Open Access!

Jeannine Kunert

Dr. Jeannine Kunert war 2020–2022 Volontärin an der Universitätsbibliothek Leipzig und anschließend Open-Access-Referentin in Elternzeitvertretung.

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