Die UB Leipzig in der Pandemie

Aus dem Tätigkeitsbericht 2020

Das Ende der Normalität ahnten wir schon, als am 4. März 2020 im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina mit 200 Personen die Ausstellung „Von der Schönheit und den Leiden der Pferde“ eröffnet wurde. Die Ahnung wurde Gewissheit, als am 6. März die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde, die in der darauffolgenden Woche stattfinden sollte. Das Kulturprogramm in der Bibliotheca Albertina, darunter die Lesungen zur Buchmesse, musste vom einen auf den anderen Tag storniert werden.

Außergewöhnlicher Anblick: Die Bibliotheca Albertina leer und dunkel mitten am Tag. (Foto: Thomas Kademann)

Dann ging es Schlag auf Schlag. Am 17. März 2020 wurden alle Standorte für die Benutzung geschlossen. In den Standorten mit Selbstverbucherautomaten (Bibliotheca Albertina, Campus-Bibliothek, Bibliothek Erziehungs- und Sportwissenschaft sowie Bibliothek Veterinärmedizin) konnten kurzfristig noch Bücher ausgeliehen und zurückgegeben werden. Wir hatten die Möglichkeit der Ausleihe von Präsenzbüchern gewährt, was gut genutzt wurde. Insgesamt wurden innerhalb von zwei Tagen 4.060 Präsenzbücher ausgeliehen. Ab dem 18. März ging auch das nicht mehr mehr.

Zugleich mit der Schließung für die Nutzung musste der interne Bibliotheksbetrieb vollkommen neu organisiert werden. Für die Mehrzahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurde Homeoffice gewährt. Allein in der Woche vom 16. bis 23. März 2020 wurden 165 entsprechende Verträge geschlossen.

Der interne Bibliotheksbetrieb musste vollkommen neu organisiert werden.

Zwei Umstände kamen uns bei der Ermöglichung des Homeoffice sehr entgegen: Wir hatten schon einen recht guten Ausstattungsgrad der Kolleginnen und Kollegen mit mobilen Geräten erreicht, es fehlten vielfach nur noch Headsets. Vor allem aber hatten wir seit 2018 mit dem Universitätsrechenzentrum (URZ) die Einführung virtualisierter Arbeitsplätze vorbereitet. Das war ursprünglich für Nutzerinnen und Nutzer der Bibliothek gedacht. Nun konnten wir mit dem Eintreten des ersten Lockdowns die vorhandene Infrastruktur zur Realisierung virtueller Arbeitsplätze für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nutzen.

Mit tatkräftiger Unterstützung des URZ wurden die vorhandenen Dienste in kürzester Zeit so umgebaut, dass virtuelle Maschinen für die mobile Arbeit der Kolleginnen und Kollegen bereitgestellt wurden. Damit gelang es, eine flächendeckende Realisierung von Arbeitsmöglichkeiten in privaten Räumen umzusetzen, die den Arbeitsplätzen vor Ort in ihrem Funktionsumfang kaum nachstehen und zugleich eine hohe IT-Sicherheit bieten.

Auch die Schulungen bekamen eine digitale Überholung und finden seit Frühsommer 2020 rein virtuell mit hohen Teilnehmendenzahlen statt.

Das erwies sich als Segen. So war der Zugriff zum Bibliotheksmanagementsystem und zu den verschiedenen Katalogsystemen möglich. Beratungen fanden dank der durch das URZ bereitgestellten Onlineplattformen virtuell statt, die Mitarbeiterinnen
und Mitarbeiter nutzten zusätzlich zur Verständigung die Chat-Plattform Rocket.Chat – wir organisierten uns schnell.

Unser wichtigstes Anliegen war, alle Universitätsangehörigen zu unterstützen.

Unser wichtigstes Anliegen war zugleich, alle Universitätsangehörigen zu unterstützen. Da wir nun nicht mehr an den realen Theken für unsere Nutzerinnen und Nutzer da sein konnten, verlegten wir diese in den virtuellen Raum, was sehr gut angenommen wurde. Beantworteten wir 2019 insgesamt 1.578 Anfragen im Chat, so waren es 2020 insgesamt 3.785. Im Ticketsystem verdoppelte sich ebenfalls die Zahl der Anfragen. 2020 wurden insgesamt 14.168 Anfragen bearbeitet.

Für die Nutzung von Printmedien erweiterten wir den Scandienst und bauten im Bereich E-Medien das Angebot von E-Books aus, insbesondere im
Lehrbuchbereich, etwa der Verlage Beltz, Kohlhammer und Hogrefe. Der Erwerb des Heimzuganges für Beck-Online war für die Juristen und Juristinnen von besonderer Bedeutung. Etliche Verlage reagierten zudem unterstützend auf die Krise, indem sie zahlreiche Angebote an E-Books und E-Journals kostenfrei zur Verfügung stellten. Unsere AG E-Medien sammelte diese Angebote und stellte sie ab 3. April zur Verfügung.

Im Jahr der Pandemie gewannen die Social-Media-Kanäle der UB Leipzig an zusätzlicher Bedeutung, als Bibliotheksstandorte kurzfristig geschlossen
und neue Regelungen immer wieder rasch kommuniziert werden mussten. Es gab auch Videoproduktionen. Mit dem 14. April 2020 gingen digitale Schulungsangebote online; auch der Zentrale Einführungstag im Oktober wurde digital gestaltet.

Stefan Freitag, Leiter der AG Anwendungsentwicklung
Der Leiter der AG Anwendungsentwicklung, Stefan Freitag, hat das Arbeitsplatzbuchungssystem in Rekordzeit entwickelt und damit eine wesentliche Voraussetzung für die Wiedereröffnung der UB als Lern- und Arbeitsort geschaffen. (Foto: Sandra Freitag)

Eine möglichst schnelle Wiedereröffnung aller elf Standorte wurde vorbereitet und in enger Abstimmung mit der Stabsstelle Umweltschutz und Arbeitssicherheit der Universität ein Hygienekonzept für alle Standorte erstellt. Für die Theken wurden Glasaufsätze beschafft, Wegeführungen und Abstandsmarken wurden angebracht, Leseplätze ausgemessen und markiert, um die Abstandsregeln einzuhalten, Desinfektionsspender gekauft. Vor allem aber war uns klar, dass ein künftiger Lesesaalbetrieb nur mit einem Buchungssystem funktionieren würde. Bei einer Evaluierung vorhandener Systeme mussten wir leider feststellen, dass keines unseren Anforderungen entsprach. So erging frühzeitig an den Bereich Digitale Dienste der Auftrag, zur Entwicklung eines solchen Systems auf Open-Source-Basis.

Ab dem 21. April 2020 konnten wir zunächst in den Standorten mit Selbstverbuchern den Ausleihbetrieb wieder ermöglichen, weil am 17. April die Sächsische Allgemeinverfügung einen Betrieb wissenschaftlicher Bibliotheken gestattet hatte. Nachdem die Theken aller Standorte mit Glasaufsätzen ausgerüstet waren, öffneten ab 11. Mai auch die kleineren Standorte ohne Selbstverbucher für die Ausleihe und Rücknahme von Medien. Der größere Schritt erfolgte einen Monat später.

Lesesaal West in der Bibliotheca Albertina
Ab 8. Juni konnte in den Lesesälen unter Beachtung der Hygieneregeln wieder
gearbeitet werden, die nutzbaren Plätze sind in allen Standorten markiert. Vorausssetzung
ist die Buchung über das Arbeitsplatzbuchungssystem.

Ab dem 8. Juni öffneten wir wieder die Lesebereiche, was insbesondere für die Studierenden eine große Erleichterung war. Auch wir waren überglücklich, denn eine Bibliothek ohne Nutzerinnen und Nutzer ist zutiefst deprimierend. Da der Start reibungslos funktionierte und sich alle an die Regeln hielten, konnten wir 14 Tage später die zunächst verkürzten durch die normalen Öffnungszeiten (in den großen Standorten bis 24 Uhr) ersetzen. Da die Leseplatzzahl so stark dezimiert werden musste, wollten wir die Besuchsmöglichkeiten nicht noch mehr einschränken.

Hat die UB an allen Standorten zusammen normalerweise 3.515 Arbeitsplätze, so standen nun nur 1.225 zur Verfügung. Doch diese Phase pandemiekonformer Nutzung dauerte nur knapp fünf Monate.

Check-in in der Bibliotheca Albertina
Um die Kontaktverfolgung auch bei Kurzbesuchen zu gewährleisten, ist seit Oktober 2020 ein unkomplizierter, digitaler Check-in erforderlich.

Ab Oktober 2020 stiegen die Infektionszahlen deutlich an. Um den Bibliotheksbetrieb so lange wie möglich aufrechterhalten zu können, wurde ab 29. Oktober die Verpflichtung zum Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes auch auf den Arbeitsplatz erweitert. Ab 5. November mussten die Arbeitsmöglichkeiten weiter eingeschränkt werden. Die Öffnungszeiten wurden verkürzt und nichtuniversitäre Nutzerinnen und Nutzer konnten keine Arbeitsplätze mehr buchen. Ab 14. Dezember mussten die Lesesäle schließen, ab dem 17. Dezember wurden im Rahmen des allgemeinen Lockdowns die Bibliotheken erneut komplett geschlossen. (Seit dem 11. Januar 2021 ist die werktägliche Ausleihe und Rückgabe an allen Standorten erneut möglich.)

Dass die Vorteile unserer E-preferred-Strategie sich einmal so nachdrücklich bewähren würden, konnten wir uns nicht vorstellen.

Es war also ein bewegtes Jahr. Die Einschränkungen der Benutzbarkeit der Bibliothek gehen uns gründlich gegen den Strich. Dass die Vorteile unserer E-preferred-Strategie sich einmal so nachdrücklich bewähren würden, konnten wir uns nicht vorstellen.

Nun haben wir viel gelernt und auch dies: Der digitale Wandel hat uns wichtige Impulse gegeben und uns zu kreativen Wegen animiert. Die Entwicklung digitaler Schulungsformate beispielsweise wird auch in der Zukunft die Vermittlung von Informationskompetenz vielfältiger und nachhaltiger machen.

Charlotte Bauer,
Ulrich Johannes Schneider
Direktion der UB Leipzig

Der Tätigkeitsbericht wurde Open Access auf Qucosa veröffentlicht und kann dort weitergelesen werden.

Ulrich Johannes Schneider

Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider war der Direktor der Universitätsbibliothek Leipzig von Januar 2005 bis März 2022.

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