FOLIO Open Access App geht in den Livebetrieb

Screenshot mit Text FOLIO OA APP

Die UB Leipzig gestaltet seit über einem Jahrzehnt den Wandel des Publikationswesens zu Open Access (OA) aktiv mit. Das bedeutet konkret, dass immer mehr Publikations-, Vertrags- und Kostendaten gemanagt werden müssen, die dafür sorgen, dass wissenschaftliche Publikationen frei zugänglich digital publiziert werden. Im Gegenzug werden weniger gedruckte Werke und Lizenzen für lesenden Zugriff auf wissenschaftliche Zeitschriften eingekauft. Dazu kommen in der Übergangszeit Verträge, die sowohl Lese- als auch Publikationsrechte beinhalten. Konventionelle Bibliothekssoftware stößt im Zuge der OA-Transformation an ihre Grenzen, da sie für die Erwerbung und Katalogisierung konzipiert wurde.

Zum Management der publikationsbezogenen Vertrags- und Kostendaten sind an der UB Leipzig, wie in den allermeisten anderen Bibliotheken, bisher historisch gewachsene Excel-Lösungen zum Einsatz gekommen. Diese bieten zwar große Flexibilität bei der Anpassung an die dynamischen Rahmenbedingungen, schaffen jedoch Datensilos ohne Automatisierungspotenzial, vermischen darin Datenhaltung mit deren Auswertung und erschweren die zum Alltag gewordene Bearbeitung von Daten im wachsenden Team.

Björn Muschall (rechts) hat als Convener in der ersten Entwicklungsphase der Open Access App die Treffen der Special Interest Group (SIG) aus Fachexpert*innen geleitet und moderiert, Martin Bauschmann (links) hat ihn 2024 in dieser Rolle abgelöst. (Foto: Cornel Richter)

Eine Marktsichtung nach Alternativen brachte für die UB Leipzig die Erkenntnis, dass benötigte Software-Lösungen für die OA-Administration rar gesät sind und vorhandene Produkte nicht dem Selbstverständnisder Bibliothek nach Offenheit im Sinne von Open Source und Open Data entsprechen. Vor diesem Hintergrund fiel die Entscheidung, die eigenen Erfahrungen in die Entwicklung einer Anwendung auf Basis der freien Bibliothekssoftware FOLIO einfließen zu lassen. Nachdem 2020 bereits ein produktives FOLIO-System für die Verwaltung elektronischer Ressourcen in Betrieb genommen wurde, ist die OA-Administration ein nächster wichtiger Baustein des künftigen Einsatzes von FOLIO als zentrales Bibliotheksmanagementsystem.

Die modulare Softwarearchitektur ermöglicht die Entwicklung neuer Funktionalitäten für die Be- bzw. Verarbeitung publikationsbezogener Daten bei gleichzeitiger Anbindung an bestehende Apps für die Rechnungsbearbeitung, die Budgetierung und das Vertragsmanagement. Was bisher fragmentiert war, wird nun in einem datenbankgestützten System vereint. Perfekte Voraussetzungen also für die operative Umsetzung der Bibliotheksstrategie, Open Access als integralen Teil des Erwerbungshandelns zu begreifen.

Gefördert durch Mittel des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) wurde daher die Entwicklung einer FOLIO OA App aus der UB Leipzig heraus angeschoben und von der britischen Firma Knowledge Integration in kooperativer Begleitung durch erfahrene Fachexpert*innen aus der Bibliotheks-Community von 2020 bis 2022 umgesetzt.

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    Benutzeroberfläche zur Dokumentation von Kontaktdaten zu Antragsteller*innen und Korrespondenzautor*innen.

Nach umfangreichen lokalen Tests, in denen die eigenen Abläufe und bisher erhobenen Daten kritisch auf den Prüfstand kamen, konnten im Frühjahr 2024 alle notwendigen Antragsdaten des Publikationsfonds für Zeitschriftenartikel erfolgreich nach FOLIO migriert werden. Die UB Leipzig ist damit die erste Bibliothek weltweit, welche die OA App für die Verwaltung von OA-Publikationen nutzt. Die Übernahme weiterer Daten ist bereits in Vorbereitung – darunter z. B. dezentral bezahlte Publikationskosten sowie das Monitoring von Publikationen aus Transformationsverträgen. Schritt für Schritt kann so in FOLIO ein virtuelles Informationsbudget aller hochschulrelevanten Publikationskosten entstehen. 

Die gewonnen Erkenntnisse aus der Praxis werden nun dafür eingesetzt, andere Bibliotheken bei der Einführung der Software zu unterstützen sowie Anforderungen an den funktionellen Ausbau der App einzusammeln. In einer zweiten Entwicklungsphase wird der Funktionsumfang der App ab 2025 im Rahmen eines erneut aus EFRE-Mitteln finanzierten FOLIO-Projektes weiterentwickelt.

Ein Fokus liegt dabei auf den Ausbau und der Automatisierung der Austauschprozesse mit Drittsystemen: einerseits für den Import externer Daten, etwa von Online-Antragsdaten des Fonds und von Publikationsdaten der Verlage, andererseits für das Reporting und die Weitergabe an Services wie Open APC oder den OA Monitor, die Daten zu Publikationsgebühren sammeln und zur Nachnutzung öffnen. Durch die Standardisierung und Öffnung von Publikations- und Kostenmetadaten hat die OA App das Potenzial, langfristig Impulse für einen kulturellen Wandel hin zu größerer Interoperabilität und Transparenz in der Publikationskostenverwaltung zu liefern. 


Der Beitrag erschien zuerst im Tätigkeitsbericht 2024 der Universitätsbibliothek Leipzig.

Martin Bauschmann

Martin Bauschmann ist Mitarbeiter im Bereich Bestandsentwicklungen und Metadaten und dem Open Science Office der Universitätsbibliothek Leipzig.

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