Jetzt zu sehen: die ältesten Bücher Leipzigs!

Wie die Anfänge der Buchstadt Leipzig aussahen, kann man seit dem 20. Mai im Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig sehen. Die UB Leipzig hat für die Ausstellung „1015. Leipzig von Anfang an“ die ältesten erhaltenen Bücher Leipzigs zur Verfügung gestellt: kostbare mittelalterliche Handschriften, die aus den Bibliotheken der Leipziger Stadtklöster stammen und bis in das 11./12. Jahrhundert zurückreichen.

Ein kleiner Vorgeschmack auf eine Auswahl der ausgestellten Handschriften:

Ms 986
Kirchenrechtskommentar, sog. ‚Summa Lipsiensis‘
Handschrift auf Pergament, Nordfrankreich, 1. Viertel 13. Jh.
Leipzig, UB, Ms 986
Die sog. ‚Summa Lipsiensis‘ ist ein ausführlicher Kommentar zu einem der zentralen Bücher des Kirchenrechts, dem ‚Decretum Gratiani‘. Sie ist um 1185 wohl in Paris entstanden und war aufgrund ihrer vielfach originellen Lehren für die weitere kirchenrechtliche Entwicklung in Europa von zentraler Bedeutung. Der Text ist außerordentlich selten überliefert, die Leipziger Handschrift daher von hohem Wert. Sie stammt aus dem französischen Lehrbetrieb und wurde dem Dominikanerkloster Leipzig im Jahr 1239 von dem Hallenser Bürger Dietrich, der dort offenbar als Schreiber tätig war, geschenkt. Dietrich könnte die Handschrift von einem Studienaufenthalt aus Frankreich mitgebracht haben. Der Codex ist das früheste Zeugnis für die Klosterbibliothek der Leipziger Dominikaner.

Ms 222
Bruno Astensis, Kommentar zu den vier Evangelien
Handschrift auf Pergament, Deutschland, spätes 12. oder frühes 13. Jh.
Leipzig, UB, Ms 222
Die gelehrte Durchdringung des Wortes Gottes war für die Qualität des Predigtwesens von höchster Bedeutung. Wie sehr die Predigttätigkeit bei den Dominikanern im Zentrum stand, wird schon an der Selbstzeichnung als Predigerorden ersichtlich. Der Leipziger Dominikanerkonvent erhielt wenige Jahre nach seiner Gründung diese großformatige und mit Buchschmuck versehene Handschrift als Geschenk des Dübener Plebans (= Pfarrgeistlichen) Johannes. Sie enthält einen umfangreichen Kommentar zu den vier Evangelien, berührte also eine zentrale Aufgabe der Leipziger Predigerbrüder.

Ms 329
Gregor der Große, Regula pastoralis
Handschrift auf Pergament, 3. Viertel 12. Jh.
Leipzig, UB, Ms 329
Die ‚Regula pastoralis‘ Gregors des Großen war im Mittelalter ein Grundlagenwerk der Pfarrseelsorge. Für den jungen Leipziger Franziskanerkonvent, zu dessen zentralen Aufgaben die Seelsorge für die städtische Bevölkerung gehörte, war es daher ein nützliches Geschenk, als sie 1253 von dem Pleban (= Pfarrgeistlichen) Heizo aus Nerchau bei Grimma diese Abschrift der ‚Regula pastoralis‘ erhielten. Der Wert der Pergamenthandschrift aus dem 12. Jahrhundert wurde sicherlich durch die Buchmalerei gesteigert; den Textbeginn markiert beispielsweise eine Figureninitiale mit der Darstellung Gregors des Großen. Der Schenkungseintrag in der Pergamenthandschrift ist das früheste datierte Zeugnis zum Leipziger Franziskanerkloster, der Codex selbst das älteste bekannte Buch aus der Klosterbibliothek.

Ms 388
Honorius Augustodunensis, Gemma animae
Handschrift auf Pergament, Deutschland, spätes 12. Jh.
UB Leipzig, Ms 388
Honorius von Autun war ein vielgelesener Theologe der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Seine Schrift ‚Gemma animae‘ (Edelstein der Seele) ist eine allegorische Betrachtung der Liturgie und ihrer Handlungen und berührt damit einen Kernbereich des Lebens geistlicher Gemeinschaften. Die Handschrift, die mit Spaltleisteninitialen in Deckfarbenmalerei reich geschmückt ist, war spätestens um 1300 Teil der Klosterbibliothek von St. Thomas, wie ein Besitzvermerk aus dieser Zeit belegt. Da sie kurz vor der Gründung des Thomasstifts geschrieben wurde, könnte sie schon Teil der Erstausstattung mit Büchern gewesen sein, die St. Thomas um 1220 besaß.

Ms 557
Kommentar zum 4. Buch der Sentenzen des Petrus Lombardus
Handschrift auf Pergament, Frankreich, 3. Viertel 13. Jh.
Leipzig, UB, Ms 557
Die vier Bücher umfassende Sammlung von Zitaten und Lehrsätzen der christlichen Kirchenväter, die Petrus Lombardus in Paris um die Mitte des 12. Jahrhunderts verfasste, war die wohl wichtigste systematische Darstellung der scholastischen Theologie im Hoch- und Spätmittelalter. Die ‚Sentenzen‘ standen daher im Mittelpunkt der Ausbildung an den Hochschulen. Auch die vorliegende Handschrift stammt aus dem gelehrten Studienbetrieb, wie die zahlreichen Randkommentare von unterschiedlichen Händen zeigen. Aus Frankreich gelangte das Manuskript im mittleren 14. Jahrhundert in das Leipziger Franziskanerkloster. Die gelehrte theologische Ausbildung spielte eine zentrale Rolle im Franziskanerorden.

Ms 836
Theologisch-kirchenrechtliche Sammelhandschrift
Handschrift auf Pergament, Deutschland, Teil 1: 2. Hälfte 12. Jh., Teil 2: 2. Hälfte 11. Jh.
Leipzig, UB, Ms 836
Der Codex Ms 836 stammt aus der Bibliothek des Leipziger Thomasstifts und enthält zwei ursprüngliche selbstständige Handschriften: eine Abschrift der ‚Dialogi‘ Gregors des Großen, die wohl in der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts entstanden ist, und eine kirchenrechtliche Textsammlung aus dem späteren 11. Jahrhundert. An der Grenze zwischen beiden Teilen findet sich ein Besitzvermerk von St. Thomas. Die ‚Dialogi‘ des Kirchenvaters Gregor waren ein monastischer Grundlagentext und daher in den meisten Klosterbibliotheken vorhanden. Auch kirchenrechtliche Texte wie Teil 2 der Handschrift gehörten zum Grundbedarf von geistlichen Konventen, zumal wenn sie wie die Augustinerchorherren für die Pfarrseelsorge zuständig waren. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass der Band zwei Manuskripte aus der Anfangszeit der Klosterbibliothek von St. Thomas bewahrt.

Christoph Mackert (UBL)

Dr. Christoph Mackert ist Leiter des Handschriftenzentrums an der Universitätsbibliothek Leipzig.

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