Die stille Kunst der Katalogisierung musikalischer Bestände an der Universitätsbibliothek Leipzig
Partituren, Klavierauszüge, Aufführungsmaterial, CDs, Abspielgeräte für Tonträger… Die Universitätsbibliothek Leipzig (UBL) ist, neben vielem anderen, ein Ort, an dem Studierende, Forschende, Lehrende und Musikliebende auf eine umfangreiche Sammlung musikalischer Werke und Ressourcen treffen – eine Sammlung, der sich eine Bibliothekarin mit besonderer Sorgfalt und Fachkenntnis widmet.
An drei Standorten stehen den Nutzenden die musikalischen Bestände der UBL zur Verfügung: in der Bibliothek Musik, im Musikinstrumentenmuseum und in der Bibliotheca Albertina. Aber wie finden Noten und Fachbücher ihren Weg von der Bestellung bis ins Regal? Welche Herausforderungen bringt die Pflege und Einarbeitung dieser Werke mit sich? Wir werfen einen Blick über die Schulter der Bibliothekarin Ildikó Held, die sich seit 1999 um diesen besonderen Bestand kümmert.
Der Weg eines Exemplars von der Katalogisierung…
Zunächst entscheidet unser Fachreferent für Musik – aktuell ist das Stephan Wünsche –, welche Medien erworben werden. Die UBL bestellt Bücher und Noten in der Regel bei der Leipziger Musikalienhandlung Oelsner. Bevor die Medien in die Hände der Leser*innen gelangen, wandern sie über Frau Helds Schreibtisch und werden sorgfältig in unseren Katalog eingearbeitet. Sobald das Exemplar geliefert wurde, wird es bibliothekarisch „erschlossen“ – das bedeutet, dass Informationen wie Erscheinungsjahr, Titel, Seitenangaben etc. mithilfe eines bibliothekarischen Regelwerks in eine Datenbank eingegeben werden. Diese Daten bilden die Basis für den Katalogeintrag und ermöglichen es den Benutzer*innen später, das Exemplar zu suchen und zu finden. Die fachspezifischen Erschließungsregelungen für Musikalien eignete sich Frau Held in einer speziellen Fortbildung an der HTWK Leipzig an, wo sie ein Semester lang als Gasthörerin ein Seminar zur Katalogisierung von Musikalien besuchte.
Ein großer Teil der Titel stammt jedoch nicht frisch aus dem Handel, sondern aus den geschlossenen Magazinen der Universitätsbibliothek selbst. Werke aus dem 18. und 19. Jahrhundert warten seit vielen Jahren in den nicht zugänglichen Räumlichkeiten der Bibliotheca Albertina auf ihre „Entdeckung“. Diese Titel wurden einst vom damaligen Institut für Musikwissenschaft übernommen und zunächst nur ins Regal gestellt, ohne weiter bearbeitet zu werden. Mit detektivischem Spürsinn und einem geschulten Blick fürs Detail wird nach und nach jedes Exemplar behutsam katalogisiert und neu erschlossen. Ein Beispiel für diese akribische Arbeit: Oftmals fehlt bei alten Notenausgaben das Erscheinungsjahr. Nur anhand der Musikverlagsnummern, die in Otto Erich Deutschs Verzeichnis erfasst sind, kann Frau Held das Jahr ermitteln – zumindest für die deutschen und österreichischen Musikverleger des späten 18. und des 19. Jahrhunderts.
Auf diese Weise wurden bereits über 10.000 Titel aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt und für die Benutzung bereitgestellt.
Aus dem Magazinregal in den Katalog:
… bis zur Bereitstellung
Nachdem die Titel in den Katalog aufgenommen wurden, werden sie je nach Alter und thematischer Ausrichtung an die verschiedenen Standorte der Universitätsbibliothek verteilt.
Die „Oldies“ bis zum Erscheinungsjahr 1850 kommen nach der Bearbeitung wieder in die geschlossenen Magazine der Bibliotheca Albertina. Forschende können diese auf Anfrage im Forschungslesesaal der Sondersammlungen einsehen. Die „neueren“ Musikalia können für den Lesesaal bestellt werden. Ganz neue Musikdrucke und musikwissenschaftliche Fachliteratur haben ihren Standort in der Bibliothek Musik, und können dort auch regulär ausgeliehen werden. Ein kleiner Bestand an Spezialliteratur zu Musikinstrumenten befindet sich zur Vor-Ort-Nutzung in der Nebenstelle im Musikinstrumentenmuseum der Universität.
Neben den physischen Medien, die man in der Hand halten kann, stellt die Universitätsbibliothek auch digitale Medien in Form von musikwissenschaftlichen Datenbanken wie MGG Online (Die Musik in Geschichte und Gegenwart) oder Oxford Music Online zur Verfügung. Zudem können E-Books und andere Online-Ressourcen über den Katalog recherchiert werden. Nutzer*innen der UBL haben darüber hinaus Zugriff auf das riesige Musikstreaming-Angebot der Naxos Music Library. An dieser Stelle sei auch auf die umfangreichen Digitalen Sammlungen verwiesen, die online zugänglich sind: Die Filme des Tanzarchivs Leipzig bieten nicht nur visuelle Eindrücke, sondern auch musikalische „Gourmethäppchen“. Hierbei handelt es sich um private Filmaufnahmen des Musik- und Tanzwissenschaftlers Kurt Petermann, die im Rahmen des Programms „Sicherung des audiovisuellen Erbes in Sachsen“ digitalisiert wurden.
Die Katalogisierung musikalischer Bestände ist eine anspruchsvolle und detailreiche Arbeit, die oft im Verborgenen bleibt. Doch sie bildet die Grundlage dafür, dass wertvolle Werke zugänglich gemacht und genutzt werden können. Dank engagierter Expert*innen wie Frau Held wird das musikalische Erbe nicht nur bewahrt, sondern auch für kommende Generationen lebendig gehalten. Wer sich selbst ein Bild machen möchte, kann in den Bibliothekskatalog eintauchen oder die Bibliothek Musik besuchen – ein Ort voller klangvoller Entdeckungen.