Eine Bibliothek zum Hören: Musikstreaming an der UBL mit der Naxos Music Library

Anfang dieses Jahres hat sich das Musikangebot der Universitätsbibliothek (UBL) schlagartig erweitert. Wir konnten aus Mitteln des Freistaates Sachsen ein Bündel von Datenbanken zur Musik aus dem Hause Naxos lizenzieren. Damit verschaffen wir, wenn auch zeitlich befristet, unseren Nutzer*innen Zugang zu Millionen von Musiktiteln und mehreren tausend Videos mit Musikbezug. Das neue Angebot nehmen wir hier unter die Lupe und stellen Nutzungsmöglichkeiten vor.

Das Geschäftsmodell und die Konkurrenz

Das Logo der Naxos Music Library. Weiße Schrift auf blauem Hintergrund.
Das Logo der Naxos Music Library. © Naxos Digital Services US, Inc.

Das Flaggschiff unseres neuen Streaming-Angebots heißt Naxos Music Library. Der Anbieter vermarktet dieses Portal als „the world’s largest online classical music library“ – eine Aussage, die man durchaus hinterfragen kann. Denn auf dem heiß umkämpften Markt des Musikstreamings gibt es den Rivalen Idagio, der sich ebenfalls auf „Klassik“ spezialisiert hat und „über zwei Millionen“ Titel anbietet. Bei Naxos sind es aktuell gut 2,9 Millionen Tracks. Und natürlich haben auch die großen Streaming-Platzhirsche klassisches Repertoire in rauen Mengen im Angebot. Dass die UB ihren Nutzer*innen nicht Idagio oder Tidal, Apple Music Classical oder Spotify anbieten kann, liegt am Geschäftsmodell: Die anderen Streamer wenden sich an Einzelpersonen. Naxos hingegen hat den Bildungssektor im Visier, insbesondere Schulen, Musikhochschulen und Universitäten auf der ganzen Welt. Die Kosten werden von der jeweiligen Einrichtung getragen, die Nutzung ist damit für die einzelnen Mitglieder kostenfrei. Das heißt, Sie als Mitglieder bzw. Angehörige der Universität Leipzig oder als externe Nutzer*innen der Universitätsbibliothek können mit Naxos Musik hören, so oft und so lange Sie möchten.

Eine Person sitzt mit Laptop auf dem Schoß und Kopfhörend auf den Ohren im Park.
Entspannte Nutzung, egal wo – sogar im Park bei einer kleinen Verschnaufpause.

Praktische Hinweise für die Nutzung der Naxos Online Libraries haben wir Ihnen auf unserer Website zusammengestellt. Dort finden Sie auch Informationen zur App-Nutzung und Links zu den beiden anderen neuen Portalen: Naxos Music Library Jazz und Naxos Video Library. Bei ersterem ist der Name Programm, letztere bietet Opern- und Ballettaufführungen, Konzerte und Dokumentationen im Videostream. Im Folgenden wollen wir uns auf das Herzstück konzentrieren: Was erwartet Sie in der Naxos Music Library?

Klassik – welche Klassik?

Dazu müssen wir zunächst die Wortverwirrung um die „Klassik“ aus dem Weg schaffen. Einerseits wissen alle Musikinteressierten: Die Klassik ist nur eine Epoche der europäischen Musikgeschichte. Man denkt schnell an die Wiener Klassik um Haydn, Mozart und Beethoven. Andererseits hat sich international durchgesetzt, die gesamte Kunstmusik der westlichen Tradition unter dem Begriff „Klassik“ zu subsumieren. So lässt sie sich abgrenzen von anderen Strömungen wie traditioneller Volksmusik, Rock- und Popmusik und so weiter. In diesem Sinne ist vom gregorianischen Choral bis zu den neuesten Uraufführungen auf den Donaueschinger Musiktagen alles „Klassik“ – und nur in diesem sehr weiten Verständnis ergibt die Bezeichnung der Naxos Music Library als Portal für klassische Musik einen Sinn. Wenn Sie also Palestrina, Puccini oder Prokofjew hören möchten, sind Sie hier richtig. Wenn es Dolly Parton, Dua Lipa oder ein Didgeridoo sein sollen, dann eher nicht.

Wobei man sich die hier vertretenen Künstlerinnen und Künstler auch nicht zu ernst und zugeknöpft vorstellen darf. Wer sucht, findet auch Gospel, Easy-Listening und Orchester-Arrangements von David-Bowie-Hits. Das Repertoire wächst laufend: Heute, im März 2024, sind schon 80 Alben im Bestand, die Stücke enthalten, welche im Jahr 2023 komponiert wurden.

Das Logo des Musiklabels Naxos. Weiße Schrift auf blauem Grund.
Das Logo des Musiklabels Naxos. © Naxos Digital Services US, Inc.

Was ebenfalls Verwirrung stiften mag, vor allem bei Menschen, die in den vergangenen Jahrzehnten CDs und Schallplatten in den Händen hielten, ist der Name Naxos. Das markante Logo mit den fünf Säulen zierte und ziert viele Tonträger. Es steht für eine 1987 von Klaus Heymann in Hongkong gegründete und nach der griechischen Insel benannte Plattenfirma. Das Label war zunächst für günstige Preise und Interpret*innen eher aus der zweiten Reihe bekannt, mauserte sich dann zu einem erfolgreichen Weltkonzern mit extrem breitem Repertoire. So schwingt durchaus Wertschätzung mit, wenn die FAZ von einer „Billigmarke für klassische Musik“ schreibt.

Beim Start der Naxos Music Library im Jahre 2004 bildete zwar zunächst der äußerst umfangreiche Katalog von Naxos und seinen Unterlabels den Grundstock des Streaming-Angebots. Heute aber finden sich unter dem Dach der Naxos Music Library Aufnahmen von hunderten großen und kleinen Musikfirmen aus der ganzen Welt. Darunter sind so klangvolle Namen wie Deutsche Grammophon, Decca, Harmonia Mundi und auch das legendäre DDR-Klassiklabel Eterna. So erklärt sich die beeindruckende Menge von über 190.000 Alben, die der „Disc Count“ der Naxos Music Library aktuell zählt.

Aufnahmen suchen und finden

Wie taucht man nun in diese Vielfalt ein und findet, was das Ohr begehrt oder was das musikwissenschaftliche Seminar behandelt? Zwar ist der ganze Naxos-Bestand in unserem Katalog zu finden, allerdings auf Album-Ebene, so dass die Recherche nach einzelnen Titeln hier wenig komfortabel ist. Daher empfehlen wir die Suche direkt in der Datenbank.

Von der Startseite aus bieten sich verschiedene Möglichkeiten des Stöberns an. Während die Einstiege über Kategorien oder Labels kaum hilfreich sind – sie führen zu mitunter endlosen, nicht weiter durchsuchbaren Ergebnislisten –, ist das Browsen nach Personen eine sinnvolle Sache. Die Personenseiten bieten je eine Werkliste und eine Alben-Liste an. Wählt man eine Komposition aus der Werkliste, erscheint eine Tabelle aller verfügbaren Aufnahmen. So findet sich Material in Hülle und Fülle für ein „heiteres Interpretenraten“ wie im RBB-Podcast Blindverkostung. Wer sich, es ist ja Passionszeit, beispielsweise für die Johannespassion von Heinrich Schütz interessiert, dem werden fünf Aufnahmen von vier verschiedenen Labels präsentiert. Die älteste ist die Eterna-Aufnahme mit dem Dresdner Kreuzchor unter Martin Flämig, unter anderem mit Peter Schreier und Hans-Joachim Rotzsch in den Solopartien. Die jüngste ist ebenfalls in Sachsen entstanden: Hier ist der Dresdner Kammerchor unter Hans-Christoph Rademann zu hören, die CD erschien 2016 bei Carus. Wie bei vielen neueren Alben lässt sich das Booklet dazu online lesen.

Das Schütz-Beispiel zeigt: Die Metadaten sind bei Naxos ganz auf die Besonderheiten „klassischer“ Musik zugeschnitten, wo das gleiche Werk oft in mehreren Einspielungen vorliegt und Alben verschiedene Werke enthalten – eine Komplexität, der Generalisten wie Spotify mit ihrem Schema von Künstler*in / Album / Track nicht gerecht werden. Das Beispiel zeigt aber auch, dass die Daten nicht immer zuverlässig sind. Die erwähnte Eterna-LP ist bei Naxos mit dem Veröffentlichungsdatum „01 January 1970“ gelistet. In Wirklichkeit ist sie erstmals 1973 erschienen. Und wer bei der „Erweiterten Suche“ den gleichen Werktitel eingibt („Johannes-Passion, SWV 481“), erhält sieben statt fünf Treffer. Hier werden plötzlich noch zwei Alben des Labels Brillant Classics zusätzlich gefunden, die in der Werkansicht fehlen. Es lohnt sich also immer die erweiterte Suche.

Die Musik ist da. Bedienen Sie sich!

Bei der Klangqualität haben wir uns für „Premium“ entschieden, was bei Naxos einer Bitrate von 320 kBit/s im AAC-Format entspricht. Das bedeutet, die Daten sind unter leichten Qualitätsverlusten komprimiert, die Musik sollte aber auch bei leisen Stellen noch recht gut zur Geltung kommen. Andere Anbieter gehen weiter und bieten für die zahlende, audiophile Zielgruppe verlustfreies Streaming mit FLAC an. Das ist bei Naxos aktuell nicht im Angebot – genauso wenig übrigens wie bei Spotify, wo 320 kBit/s AAC ebenfalls das Ende der Fahnenstange darstellen.

Wer Musik zum Anhören suchte, wurde in der Universitätsbibliothek bisher selten fündig. Anders als in unserer Nachbarbibliothek in der Hochschule für Musik und Theater gab es bei uns nie einen gezielt aufgebauten Bestand an Musikmedien in nennenswertem Umfang. Unsere lokalen Bestände bieten im Bereich „Audio“ zwar einige tausend Einträge. Aber vieles davon ist gesprochenes Wort, sind Hörbücher, Lehrmedien, Dokumentationen und so weiter. In der Bibliothek Musik gibt es einen sehr überschaubaren Fundus an Musik-CDs, der nicht weiter ausgebaut wird.

Mit dem neuen Angebot sind die Audiobestände der Universitätsbibliothek um mehrere Größenordnungen gewachsen und wachsen fortwährend weiter durch die Ergänzung neuer Alben und Labels. Wir hoffen, dass die Naxos Music Library eine Bereicherung für Sie ist. Sei es als Arbeitshilfe in der Musikwissenschaft, als Schatzkiste für alle Musikliebhaber*innen oder einfach als nette Begleitung beim Joggen, Kochen und so weiter. Die Voraussetzungen sind da: Persönliche Favoriten und Playlisten für verschiedenste Anlässe lassen sich anlegen, die NML-App ermöglicht darüber hinaus die Offline-Nutzung. Wir sind jetzt auch eine Bibliothek zum Hören!

Details zu den drei Portalen und den zugehörigen Apps finden Sie hier: Musik und Videos streamen mit Naxos Online Libraries. Wir haben diese Portale vorerst bis Ende 2025 lizenziert. Lassen Sie uns gern an Ihren Erfahrungen mit den Naxos Online Libraries teilhaben, hier im Blog oder per Mail an emedien@ub.uni-leipzig.de.

PS. Eine Bibliothek zum Hören sind wir auch abseits unserer digitalen und physischen Bestände. Kennen Sie schon unsere Bibliotheks-Ambiences und Study-Playlists auf YouTube und Spotify? Hineinhören lohnt sich.

Das Titelbild dieses Beitrags zeigt den Dresdner Kreuzchor 1973, im Jahr der Veröffentlichung der besprochenen Schütz-LP. © Deutsche Fotothek, Erich Höhne, http://www.deutschefotothek.de/documents/obj/70605428.

Stephan Wünsche

Dr. Stephan Wünsche ist an der Universitätsbibliothek Leipzig Referent am Open Science Office und unter anderem für die Themen Forschungsdatenmanagement und Forschungsinformation zuständig. Außerdem ist er Fachreferent für Musik.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert