Was tut Papyrus gut?

Mehrere Personen unterhalten sich angeregt im Stehen, darunter Dr. Almuth Märker und Dr. Anne Boud'hors.

An der Universitätsbibliothek Leipzig fand vom 23. bis 24. Juni 2022 das Sixth Papyrus Curatorial and Conservation Meeting in der Bibliotheca Albertina statt. Dieses internationale Treffen zu Fragen der Papyruskonservierung und -restaurierung führt regelmäßig Restaurator*innen und Kustod*innen aus Papyrussammlungen verschiedener europäischer Länder zum fachlichen Austausch zusammen.

Austragungsorte waren 2018 London und 2019 Dublin. Für 2020 war das Treffen in Leipzig anberaumt, es musste aber pandemiebedingt zweimal verschoben werden. Die finanzielle Förderung hätte durch das für 2020 bewilligte KEK-Modellprojekt Bei den Papyri in die Lehre gehen erfolgen sollen, aus Gründen des Zuwendungsrechts waren die Mittel jedoch nicht ins nächste Haushaltsjahr übertragbar. Die 35 Teilnehmer*innen aus zwölf Ländern ließen sich jedoch durch die Tatsache, den finanziellen Aufwand selbst erbringen zu müssen, nicht davon abhalten, nach Leipzig zu kommen. An zwei Tagen standen 18 Vorträge zur Diskussion, gekrönt durch einen Abendvortrag mit anschließender Eröffnung der Kabinettausstellung Ein 1.300 Jahre alter Papyruskodex tritt ans Licht. Das koptische Markusevangelium P.Lips. inv. 3000.

Nicht nur erhalten, auch präsentieren

Das Fachgebiet der Papyruskonservierung und -restaurierung ist innerhalb der Bestandserhaltung ein sehr spezielles. Fragen, wie Papyri angemessen aufbewahrt und gleichzeitig in Datenbanken digital oder in Ausstellungen analog präsentiert werden, sind in Sondersammlungen oder Museen eher die Ausnahme. Gerade weil diese Fragestellungen und Kompetenzen hoch speziell sind, ist der Austausch unter Fachkolleg*innen umso wichtiger.

Anne Boud’hors spricht über das koptische Markusevangelium aus dem 8. Jahrhundert.

Der inhaltliche Bogen der Referate beim Papyrusmeeting war weit gespannt. Er reichte von der Aussagekraft historischer Rändelbänder an Papyrusverglasungen, an denen man die „Handschrift“ des*der Restaurator*in ablesen könne, dargestellt von Jörg Graf, bis hin zur Beschreibung durch Kristine Rose-Beers aus Dublin, wie eine höchst fragile manichäische Papyrushandschrift aus dem dritten Jahrhundert in einem skrupulösen Entscheidungsprozess für die Synchrotron-Anlage „Diamond Light Source“ in London vorbereitet wurde. Wodurch sich antiker und moderner Papyrus als Beschreibstoff unterscheiden, beschrieb Florian Bausch aus Wien. Ebenso diskutiert wurde das Projekt zur digitalen Paläografie griechischer und koptischer Papyri „D‑Scribes“, über das Isabelle Marthot-Santianello aus Basel referierte.

Von koptischen K-Tafeln bis zu Grafikbetten

Für die Universitätsbibliothek Leipzig selbst präsentierte Vincent Walter das aktuell von der DFG geförderte Projekt zur Erschließung der koptischen „K‑Tafeln“. Friederike Armonies beschrieb die Ergebnisse der Tintenanalyse auf Papyri mithilfe des Lichtmikroskops Dino-Lite und Almuth Märker ging auf die Entstehung des Schauraums für die Replik des Papyrus Ebers ein. Der Beitrag von Beate Villmann zur Ursache der weiß-grauen Niederschläge auf den Innenseiten historischer Papyrusverglasungen vermittelte die Ergebnisse des KEK-Modellprojekts Bremer Papyri glasklar, das die Staats- und Universitätsbibliothek Bremen 2016–17 in Kooperation mit der HTWK Leipzig und der Universitätsbibliothek Leipzig durchgeführt hatte. Die mobile Ausstellung, die im Ergebnis des Projekts in Bremen entstanden war, konnte während der Pausen besichtigt werden.

Mehrere Personen unterhalten sich angeregt an Stehtischen im Veranstaltungsraum.
In der Kaffeepause ging der Austausch zwischen den Teilnehmenden weiter.

Pausen sind überhaupt etwas Wichtiges auf Tagungen, die wie das Papyrusmeeting in Leipzig glücklicherweise wieder analog stattfinden können. Hier kommt es zum fachlichen und persönlichen Austausch, es werden Kontakte geknüpft und in Gesprächen neue Ideen entwickelt. Das funktioniert jedoch nur … mit einer Tasse Kaffee oder Tee in der Hand. Das Meeting wurde von zwei Unternehmen aus der Region gesponsert: dem Zentrum für Bucherhaltung (ZFB) aus Leipzig und der Firma Schott aus Jena. Beide brachten sich auch mit Fachvorträgen in die Diskussion ein. Manfred Anders vom ZFB stellte Grafikbetten aus säurefreiem Material vor, die für verglaste Papyri als Schutzmappen geeignet sind. Maximilian Enkelmann von Schott sprach über die Eigenschaften des für die Papyrusverglasung geeigneten inerten Borosilikatglases. In der Papyrus- und Ostrakasammlung der Universitätsbibliothek Leipzig waren mithilfe des KEK-Modellprojekts Durchblick für die Ältesten bereits 2018 die Papyri neu verglast worden.

Nach der Theorie kommt die Praxis

Die Teilnehmer*innen eines internationalen Meetings bringen auch immer ein besonderes Interesse für die Gegebenheiten vor Ort mit, das gestillt werden will. So gewährten der Leiter der Restaurierungswerkstatt Jörg Graf und die Kustodin der Papyrussammlung Almuth Märker, die nach Leipzig eingeladen und das Meeting vorbereitet hatten, Einblicke in ihre jeweiligen Arbeitsbereiche: Jener führte durch die Werkstatt, diese zeigte im Fürstenzimmer eine Schau ausgewählter Papyri.

In der Kabinettausstellung war das koptische Markusevangelium hinter Glas zu bewundern.

Der Dramaturgie des Meetings folgend, stellten der Abendvortrag und die anschließende Eröffnung der Kabinettausstellung einen Höhepunkt dar. Die Pariser Koptologin Anne Boud’hors führte aus, wie das in der Leipziger Sammlung bewahrte koptische Markusevangelium, ein Papyruskodex aus dem 8. Jahrhundert, gerettet und erforscht wurde. Die Kabinettausstellung ließ diesen fragilen Kodex vor aller Augen wiedererstehen. Die Abschlussdiskussion kam zu dem Ergebnis, dass es 2024 ein Nachfolgetreffen geben wird, das auszurichten sich das Reijksmuseum Leiden bereit erklärt hat. Alle, Restaurator*innen wie Kustod*innen der Papyrussammlungen Europas, waren glücklich.

Der Beitrag wurde zuerst im September 2022 auf dem Portal der KEK (Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts) veröffentlicht.

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