„Come and See“

Wenn die Bibliothek zum Kino wird – Einladung zum “Native Cinema“ in der Universitätsbibliothek Leipzig

Vor fast drei Jahren stellten wir Ihnen die neuen Standorte der Freihandbereiche Anglistik und Amerikanistik vor: https://blog.ub.uni-leipzig.de/wenn-der-westen-in-den-osten-zieht

Damals wurde auch erwähnt, dass durch die Gelder des American Space unsere DVD-Sammlung entstand und viele Nachschlagewerke sowie neueste Literatur erworben werden konnten. Die damals noch abgesperrten Sitzecken sind heute freigegeben und werden fleißig genutzt.
Die große E-Book-Sammlung ist schon lange im Katalog eingebunden und wurde um eine weitere ergänzt. Hier finden Sie noch einmal die Links zum Stöbern. Zugänglich über das Uni-WLAN, bzw. Eduroam, sind alle Bücher im Volltext herunterzuladen.

Im Jahr 2019 entschieden wir uns für eine Auswahl aus Titeln des Brill Verlages:

https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Search/Results?lookfor=collection%3AUBL-Brill-20

Diese Sammlung der E-Books wurde zwei Jahre später um eine weitere mit handverlesenen Titeln von ProQuest ergänzt:

https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Search/Results?lookfor=collection%3A%22UBL-AmericanSpace-2021%22

Doch gedruckte Bücher und E-Books, DVDs und Möbel sind nur ein Teil des  American Space.  Dieser wird übrigens seit dessen Gründung im Jahre 2019 durch das Deutsch Amerikanische Institut Sachsen (DAIS) koordiniert. Das bedeutete von Anfang an eine enge und sehr fruchtbare Zusammenarbeit mit der Bibliotheca Albertina: Aus der DVD-Sammlung erstand die Idee einer Filmreihe mit jeweils vier thematisch ausgewählten und kuratierten Filmen. Diese Idee wurde umgesetzt und wir starten morgen bereits in die dritte Runde.

Doch zuvor ein Blick zurück:

Die erste Reihe widmete sich dem „German Expressionism in Hollywood“. In den Filmen war gut das Potential zu erkennen, das die deutschen Regisseure (teilweise schon in Deutschland) entfalteten und das dann in den USA erst so richtig zum Tragen kam. Bei Klassikern wie „Sonnenaufgang – ein Lied von zwei Menschen“ (1927) konnte man eindrücklich gut sehen, wie immens einflussreich ein einzelner Film auf die Filmgeschichte sein konnte. Mit den anderen Filmen wie „Fury“ (1936), „Hangmen also die“ (1943) und „Double Indemnity“ (1944) wurde die enge Vernetzung der Regisseure mit der amerikanischen Filmkultur nochmal sehr deutlich ebenso wie die Vielfalt ihres Schaffens.

Plakat zur Filmreihe ‚German Expressionism‘

Die zweite Filmreihe, „New York, New York!“, präsentierte mit „All About Eve“ (1950) ebenso wieder ein Denkmal der Filmgeschichte. Auch „Taxi Driver“ (1976) gehört inzwischen zum Kanon der US-amerikanischen (Film)Kultur, genauso wie es „Do the Right Thing“ (1989) und vor allem der großartige „Precious“ (2009) sind oder jedenfalls noch werden. Bewusst wurde auf Filme wie „Breakfast at Tiffanys“ verzichtet, die wohl wirklich jeder kennt.

Plakat zur Filmreihe ‚New York, New York!‘

Die Filmveranstaltungen wurden ausnahmslos gut besucht. Teilweise begrüßten wir über 80 Filminteressierte.

Die dritte Filmreihe startet am 18. April 2023 um 20 Uhr im Vortragssaal der Bibliotheca Albertina mit der ersten Ausstrahlung.

Im Mittelpunkt steht diesmal das „Native Cinema“. Das Besondere an dieser Reihe ist, dass wir noch eine weitere Partnereinrichtung als Kooperationspartnerin hinzuziehen konnten. Dr. Frank Usbeck, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Grassi Museums für Völkerkunde zu Leipzig, und dort zuständig für die amerikanischen Sammlungen des Museums, des Japanischen Palais (Museum für Völkerkunde in Dresden) und als wissenschaftlicher Berater auch am Völkerkundemuseum in Herrnhut tätig, stand uns zur Seite. Er beriet uns bei der Auswahl der Filme und unterstützte uns bei der Planung des Rahmenprogramms.

Gleich beim ersten Film, „Searching for Sequoyah“ (2021) können wir mit Joshua Nelson (in persona!) einen der Co-Produzenten und Co-Autoren des Films „Searching for Sequoyah“ begrüßen. Der Kulturwissenschaftler und Dokumentarfilmer Nelson (Cherokee Nation) begibt sich darin auf die Suche nach Sequoyah, der 1822 die Cherokee-Silbenschrift erfunden und damit eine Alphabetisierungswelle in der Cherokee-Gemeinschaft ausgelöst hatte. Das weitere Leben des bis heute als Volksheld verehrten Sequoyah blieb allerdings im Dunkeln. Nelson folgt mit seinem Team den Spuren bis nach Mexiko, wo er in den 1840er Jahren auf einer von Cherokee ausgerüsteten Forschungsexpedition verschollen ist.

Am 16. Mai folgt der nächste Film mit einer Einführung durch Dr. Frank Usbeck. Zu sehen sein wird „Pow Wow Highway“ (1989). Der Film verbindet gekonnt Elemente von Road Movies und Buddy-Movies mit einem kritischen Blick auf das Leben indigener Gemeinschaften der USA während der 1970er Jahre. Die Freunde Buddy und Philbert fahren von der Reservation der Northern Cheyenne in Montana nach Santa Fe, um Buddys Schwester aus dem Gefängnis zu holen. Bis die Reise in einer klassischen Verfolgungsjagd mit der Polizei ihren Höhepunkt findet, erlebt das Publikum die wirtschaftliche Ausbeutung der Reservationen, Korruption und Gewalt innerhalb der Gemeinschaften, aber auch den stetigen Kampf um kulturelle und spirituelle Selbstbestimmung. Obwohl der Film nicht von indigenen Menschen produziert wurde, hat seine Besetzung die indigenen Schauspieler bekannt gemacht; seine oft selbst-ironische und vielschichtige Erzählweise diente als Inspiration für die kommenden Generationen indigener Filmemacher.

Eine Woche später, am 23. Mai, zeigen wir den Film „Atanarjuat: The Fast Runner“ (2001). Er erzählt die Geschichte eines legendären Inuit-Helden in der Arktis. Unter der Regie von Zacharias Kunuk und produziert von Igloolik Isuma Productions erforscht der Film Themen wie Tradition, Rache und Spiritualität durch eine tiefgründige und fesselnde Erzählung. Mit seiner atemberaubenden Kameraführung und einer Besetzung, die ausschließlich aus Inuit besteht, wurde der Film weithin als Meilenstein des indigenen Kinos und als kraftvolle Hommage an die Kultur der Inuit gefeiert.

Die Filmreihe beschließt „The Oka Legacy“ (2015), ein Dokumentarfilm, der die Ereignisse der Oka-Krise von 1990 beleuchtet, eines 78-tägigen Konflikts zwischen der Mohawk Nation und der kanadischen Regierung. Der Konflikt wurde durch die geplante Erweiterung eines Golfplatzes und die Zerstörung eines heiligen Friedhofs ausgelöst und eskalierte schnell zu einem landesweiten Protest für die Souveränität der indigenen Bevölkerung. Der Film, bei dem Alanis Obomsawin Regie führte, bietet einen eindringlichen und intimen Blick auf die Ereignisse der Krise und ihre nachhaltigen Auswirkungen auf die indigenen Gemeinschaften und die kanadische Gesellschaft im Allgemeinen. Anhand von Interviews mit Beteiligten, darunter Mohawk-Krieger, Regierungsbeamte und Anwohner, bietet „The Oka Legacy“ eine nuancierte und zum Nachdenken anregende Untersuchung eines der entscheidenden Momente der jüngeren kanadischen Geschichte.

Wir freuen uns sehr, auch zu diesem Termin ein einführendes Gespräch mit den Filmemacher*innen anbieten zu können.

Die Filme starten jeweils um 20 Uhr und der Eintritt ist frei.

Alle Filme können Sie sich auch als DVD ausleihen und zu Hause schauen. Bis auf eine besondere Ausnahme: „Searching for Sequoyah“ werden wir über unsere Kanopy-Lizenz streamen: https://katalog.ub.uni-leipzig.de/Record/195-kan13448548/Holdings . Wir berichteten bereits, dass in diesem Jahr in der UB quasi das Jahr des Films angebrochen ist und wir mehrere Filmdatenbanken lizenziert haben:

Dennoch: Es ist viel schöner bei uns die Filme zu schauen und dann noch mit den Macher*innen bei einem Getränk ins Gespräch zu kommen. Andere thematische Reihen werden folgen, wir haben viele Ideen. 

Nun freuen uns wir uns erst einmal auf das „Native Cinema“ und darauf, Sie in Ihrer Bibliothek zu begrüßen, die nun immer mal wieder zum Kino wird!

Sophia Manns-Süßbrich (UBL)

Dr. Sophia Manns-Süßbrich ist Fachreferentin für Amerikanistik, Anglistik und Slavistik an der Universitätsbibliothek Leipzig.

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