Krimi um Gutenbergbibel

Wir wurden überrascht: Russische Fernsehjournalisten haben am Donnerstag und Freitag (4.6. und 5.6.2014) in Leipzig angerufen und wollten wissen, was wir zum versuchten Diebstahl der Gutenbergbibel in der Universitätsbibliothek Moskau sagen würden. Das betreffende zweibändige Exemplar der Bibel, gedruckt in den 1450er Jahren in Mainz, ist seit Kriegsende in Russland. Die UB Leipzig, die vor dem Krieg als einzige Einrichtung weltweit zwei Exemplare hatte, besitzt heute noch eine vierbändige, auf Pergament gedruckte Luxusausgabe der Gutenberg-Bibel.

Was ist in Moskau geschehen? Wir wissen noch nicht viel Genaues. Offenbar von langer Hand vorbereitet, hat ein Sicherheitsman (wohl ein Geheimdienstmitarbeiter) zunächst erfolgreich einen Käufer gefunden, ist dann aber aufgeflogen. Ende gut, alles gut? Die russischen Journalisten haben in Leipzig wissen wollen, wie wir unsere Handschriften und wertvollen Drucke schützen, und wir versicherten wahrheitsgemäß, dass diese in einem Tresor verwahrt werden, den ein mehrfaches Schlüsselsystem absichert. Ob diese Standards in Russland auch gelten, entzieht sich unserer Kenntnis. Es ist zu hoffen, dass der jetzige Moskauer Krimi zu mehr Vorsicht führt, nach dem Motto: Aus Schaden wird man klug.

Durch Kriege werden immer wieder Kunstschätze und wertvolle Bücher verlagert, und meist ist nicht zu erwarten, dass eine Restitution stattfindet. Russland hat viele Bücher, die nach dem Krieg aus Leipzig mitgenommen wurden, in den 1950er Jahren zurückgegeben, die Gutenbergbibel und einige andere alte Drucke waren nicht dabei. Inzwischen gilt ein Gesetz des russischen Parlaments, das die weitere Restitution nach Deutschland verbietet.

Bibliotheken sind Kulturinstitutionen und bewahren – wie Archive und Museen in öffentlicher Hand – die Schätze des europäischen Kulturerbes. Wichtig ist diese Bewahrung und die Zugänglichmachung für die interessierte Öffentlichkeit (in Ausstellungen) und für Experten (im Lesesaal). Hier arbeiten alle Bibliotheken in Europa für dasselbe Ziel, dafür brauchen Sie Unterstützung und angemessene Ausstattung.

Ich persönlich erwarte, dass der Moskauer Krimi Anlass gibt, beim nächsten Treffen des deutsch-russischen Bibliotheksdialogs auch über Sicherheitsfragen zu sprechen. Zunächst aber gratuliere ich den russischen Behörden und Fachleuten, die den kriminellen Versuch des Verkaufs der ehemals Leipziger Gutenbergbibel vereitelt haben, und hoffe, dass das Exemplar keinen Schaden genommen hat. Jedes Exemplar dieses Werkes ist einzig in der Ausstattung, dazu zählen in diesem Fall die Buchmalerei aus dem 15. Jahrhundert und der prachtvolle rote Ledereinband aus dem 19. Jahrhundert.

Prof. Dr. Ulrich Johannes Schneider, Direktor der UB Leipzig

Tätigkeitsbericht 2013 gibt Ein- und Ausblicke

400.000 Bücher mehr direkt zugänglich – Internationale Kooperationen – Umräumen – Fast ein Notfall – Neu bewilligte Projekte – Veröffentlichungen – Vorträge und Veranstaltungen – Ausstellungen – Medienecho – UB in Zahlen

Bibliotheca Albertina: Offenes Magazin

Wenn Sie  wissen wollen, was 2013 in der UBL so alles passiert ist, dann lesen Sie im jetzt erschienenen Tätigkeitsbericht weiter. Er bietet viele Informationen, die über den alltäglichen „Betrieb“ in der Bibliothek hinausgehen. Ob es Kontakte zu anderen Bibliotheken sind,  Umstruktrierungen von Abteilungen oder die zahlreichen Projekte bis hin zur Verwaltung des Etats, all das erfahren Sie in dieser jährlich erscheinenden Veröffentlichung.

SSOAR???

Unser Katalog ist einmal mehr auf Beutezug nach guter Literatur gegangen und seine neueste Errungenschaft heißt SSOAR. Seit einer Weile kann man im Katalog die rund 30.000 Volltexte des Social Science Open Access Repository finden. Das sind in der Regel Sammelbandbeiträge und Zeitschriftenartikel namhafter zumeist deutsch-sprachiger Sozialwissenschaftler_innen aus den letzten 20 Jahren. Besonders stark ist SSOAR im Bereich Methoden der Sozialwissenschaften, aber auch wer zu Technikfolgeabschätzung, Transformationsforschung, Geschlechterforschung oder Raumplanung sucht, findet nun im Katalog dazu eine ganze Reihe mehr Literatur  einschlägiger Autor_innen.

Und wie immer bei Open Access sind alle Texte von überall aus zu lesen und herunterzuladen.

LEIPZIG!!! … Here I am!

Die Bibliothek der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig ist auf der Suche nach Unterstützung für den Erwerb von 57 autographen Briefen. Die Schrifstücke stammen von der Komponistin, Dirigentin und Schriftstellerin Ethel Smyth und wurden während des Aufenthaltes der Musikerin in Leipzig verfasst.

Werden Sie Pate oder Patin für einen Brief!

Solidarität mit den Geisteswissenschaften!

Warum gehe ich morgen um 15 Uhr ins Schauspielhaus zur Protestveranstaltung der Theaterwissenschaftler_innen? Weil die angedrohten Kürzungen bei den Theaterwissenschaften und der Klassischen Archäologie die Universität Leipzig in ihrer Kernkompetenz treffen. Ich finde es zu kurz gedacht, nach Professuren Ausschau zu halten, die bald neu besetzt werden müssen, um dann dort zu streichen. Das Verfahren ist für die Geisteswissenschaften insgesamt verheerend, denn dort wird Lehre und Forschung oft nur mit diesen Mitteln – Personalmitteln – aufrecht erhalten. Geisteswissenschaften sind preiswert, darum ist der Spareffekt summa summarum gering. Der Effekt für die Forschung und für ein attraktives Lehrangebot aber ist desaströs. Dass das Ministerium der Universität die Hoheit über ihr (immer geringeres) Budget gibt, gleichzeitig aber wie in alten Zeiten auf Zusammenstreichung eines Stellenplans beharrt, kann ich nicht als Zeichen kluger Politik lesen. Und bevor es also andere trifft, protestiere ich mit. Morgen um 15 Uhr im Schauspielhaus.
Ihr Ulrich Johannes Schneider

Ein Buch verschwindet…

… aus dem Ausstellungsraum; und nicht irgendein Buch. Sondern eines der wertvollsten, der seltensten botanischen Werke, seiner Entstehung liegt ein Jahrzehnte dauerndes Großprojekt zugrunde, die enthaltenen Abbildungen gehören zum Großartigsten, was je geschaffen wurde:

Die Flora Graeca.

Das historische Werk wurde in sehr geringer Stückzahl gedruckt (unter 30 Exemplare in der ersten und ca. 40 Exemplare in der zweiten Auflage), sein Verkaufwert liegt sicher im 6-stelligen Euro-Bereich, seine Entstehung zog sich über mehr als 50 Jahre. Und erst die Bilder!

Glücklicherweise erklärt sich das mysteriöse Verschwinden des Werkes weder durch eine Straftat noch durch Zauberei. Im Gegenteil, wir haben uns gefreut, am gestrigen Abend Herrn Prof. Hans Walter Lack, Direktor am Botanischen Garten und Botanischen Museum in Berlin-Dahlem, in der Bibliotheca Albertina begrüßen zu dürfen. Er berichtete in einem anschaulichen Vortrag von der spannenden Entstehungsgeschichte der Flora Graeca. Und um die Anschauung noch erfahrbarer zu machen, war das Buch, oder besser ein Band des insgesamt 10-bändigen Werkes, als Star der Veranstaltung mit anwesend.

Zur Geschichte: Ein reicher englischer Gelehrter, Mäzen und Abenteurer, John Sibthorp, reiste auf den Spuren eines der ältesten medizinsch-botanischen Werke überhaupt in den östlichen Mittelmeeraum. Er macht sich auf, die Pflanzen aus dem Manuskript des Dioscurides zu finden, und fand bei seiner Reise über die Gebirge des Griechischen Festlandes, über etliche Inseln der Ägäis bis in die Gebiete der heutigen Türkei zahlreiche damals noch völlig unbekannte Gewächse. Begleitet wurde er von Ferdinand Bauer, einem jungen österreichischen Künstler. Bauer war es, der all die botanischen Funde mit seinem Kohlestift auf Papier bannte. Und um später noch in der Lage zu sein, die Farben der Pflanzen lebensecht und naturgetreu wiedergeben zu können, arbeitete Bauer mit einer sorgfältig ausgearbeiteten und nummerierten Farbskala. Seine Reisezeichnungen waren lediglich schwarz-weiß – und übersät mit Zahlen. Seine Skala erlaubte die herausragende nachträgliche Kolorierung. Über 1000 Abbildungen schuf Bauer so, nicht nur von Pflanzen, sonder auch von der Landschaft, von Fischen und von Vögeln.

Sibthorp starb kurz nach seiner zweiten Expedition in die Heimat des Dioscurides. Durch eine kluge Planung sicherte er dennoch das Erscheinen seines Werkes: testamentarisch verfügte er, die Universität in Oxford erhalte sein nicht unbeträchtliches Vermögen – jedoch erst dann, wenn die Flora Graeca mit mindestens 1000 Abbildungen vollständig erschienen wäre! Und so betätigten sich dann namhafte Wissenschaflter der Univeristät Oxford jahrzehntelang mit der Veröffentlichung des 10-bändigen Werkes.

Die ganze Geschichte ist nachzulesen im Buch von Prof. Lack und Prof. Mabberley: The Flora Graeca Story: Sibthorp, Bauer and Hawkins in the Levant.

Und seit heute früh liegt das Buch auch wieder sicher an seinem angestammten Platz in der Ausstellung Römers Garten, als wäre nichts gewesen.

Über Raubkunst, E-Books und die neue Generation der Bibliotheksbenutzer

Am 18. November erhielt die Bibliotheca Albertina hohen Besuch. In der Stadt weilte eine hochrangige russische Delegation. Im Rahmen des Deutsch-Russischen Bibliotheksdialogs  fand auch die Restitution einer Büchersammlung an das Staatliche Museum in Pawlowsk statt.

Zuvor informierten sich die Besucher in einem ausführlichen Gespräch über die Situation der Bibliothek. So fragten sie, ob auch bei uns die Nutzer mehr mit den Händen, anstatt mit den Füßen in die Bibliothek spazieren. Gemeint war das wachsende Angebot an elektronischen Medien, das auch von zu Hause aus nutzbar ist. Der Diskussion schloss sich eine Führung durch die Bibliothek an. Die Gäste interessierten sich aber auch für Nutzergesteuerte Erwerbung, den Etat und die Service-Angebote der Bibliothek. Fazit aller Beteiligten: die Situation in Leipzig ist mit der russischer Bibliotheken in einigen Punkten durchaus vergleichbar. Dieser Austausch erwies sich als hochinteressant für beide Seiten. Der Besuch wurde durch einen  kleinen „Gartenspaziergang“ abgerundet.

Das Open Access Office stellt sich vor

Pünktlich zur Internationalen Open Access Woche gibt es eine ganze Reihe gute Neuigkeiten rund um das Thema an der Universität Leipzig. Die Unterzeichnung der Berliner Erklärung  war nur der erste Schritt, jetzt geht es richtig los:

Wir eröffnen das Open Access Office an der Universitätsbibliothek!

Was kann auf dem Publikationsserver der Universität veröffentlicht werden? Welche Zeitschriften kommen für mein Fachgebiet in Frage? Welche Moeglichkeiten zur Finanzierung von Publikationsgebühren gibt es?

Für diese und alle weiteren Fragen stehen wir ab sofort zur Verfügung.

Open Access Publizieren und aus dem Publikationsfonds der Universität Leipzig finanzieren.

Ab dem 01.01.2014 wird es an der Universität Leipzig außerdem einen durch die DFG geförderten Publikationsfonds in Höhe von  etwa 77 000 € geben. Daraus können dann anfallende Gebühren für die Veröffentlichung von Zeitschriftenartikel in Open Access Zeitschriften vollständig übernommen werden.  Mit Open Access Zeitschriften sind dabei allerdings nur solche gemeint, die alle ihre Beiträge sofort nach dem Erscheinen ohne jegliche Einschränkung weltweit zum Download bereitstellen. Es gelten zudem auf jeden Fall die von der DFG festgelegten Kriterien:

  • es handelt sich um eine wissenschaftliche, annerkannte Zeitschrift mit Qualitätskontrolle, d.h. in der Regel ein strenges Begutachtungsverfahren
  • ein Beitrag darf nicht mehr als 2.000 € kosten
  • der einreichende Autor ist Angehöriger der Universität Leipzig

Weitere Details zu den Rahmenbedingungen und zum Prozedere, um Mittel aus dem Fonds in Anspruch zu nehmen, gibt es in Kürze auf unseren Open Access Webseiten.

Der Publikationsfonds wird durch das Open Access Office an der UBL verwaltet, und wir streben eine möglichst unkomplizierte und transparente Vorgehensweise an.

Schon mal über Zweitpublikationen nachgedacht?

Das Publizieren in Open Access Zeitschriften ist jedoch nicht der einzige Weg. Auch Artikel, Monographien und andere Textformen, die schon veröffentlicht wurden, können oftmals – manchmal zeitverzögert – parallel online veröffentlicht werden. Zu diesem Zweck hat die UB Leipzig einen Publikationsserver. Wir möchten es für Autorinnen und Autoren so einfach wie möglich machen, deshalb hilft und berät das Open Access Office, ob und was als Parallelpublikation im Einzelfall möglich ist.

Amarcord in der Albertina – Eine mittelalterliche Handschrift wurde lebendig

Der 3. Sommerkurs für Handschriftenkultur hat sich in der vorletzten Woche im Benutzungsbetrieb der Bibliotheca Albertina gehörig bemerkbar gemacht: Der Forschungslesesaal blieb für eine Woche für den normalen Publikumsverkehr geschlossen, der Vortragsraum war täglich belegt, und am Mittwochabend (11.9.) schloss die Bibliothek sogar bereits um 19 Uhr. Was war da los?

Für eine Woche waren dank der großzügigen Förderung durch die Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung 20 hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftler_innen aus dem In- und Ausland bei uns zu Gast, um an einem Vertiefungskurs zur mittelalterlichen Handschriftenkunde teilzunehmen, den das Handschriftenzentrum der UB Leipzig in Kooperation mit dem internationalen Mediävistenverband organisiert hat. Vormittags haben wir vorlesungsartige Crashkurse zu einzelnen Themengebieten geboten, am Nachmittag dann das theoretisch Vermittelte anhand handschriftlicher Originale gemeinsam erprobt. Sechs international renommierte Mittelalter-Expert_inn_en aus Großbritannien, Frankreich, der Schweiz und Deutschland waren nach Leipzig gekommen, um zusammen mit dem Team des Handschriftenzentrums ihre Kompetenz für den Kurs zur Verfügung zu stellen. Es war eine großartige und intensive Woche gemeinsamen Lernens für uns alle, was auch die sehr positive Evaluation bestätigt hat.

Ein Schwerpunkt unseres Kurses war die Frage, wie im Mittelalter Musik aufgeschrieben wurde und wie wir die liturgischen Handschriften zu verstehen haben, in denen solche Gesänge fast ausschließlich überliefert sind.  Was lag da näher, als eine öffentliche Veranstaltung zu organisieren, bei der die historische Gebrauchssituation des liturgischen Gesangs sinnlich erlebbar gemacht wird.

Foto: Christian Kern
Foto: Christian Kern

Im letzten Jahr hatte das bekannte Leipziger Vokal-Ensemble amarcord eine CD mit Gesängen aus dem Thomas-Graduale aufgenommen, einer liturgischen Handschrift des frühen 14. Jahrhunderts aus dem Leipziger Thomaskloster, die als Leihgabe der Thomaskirchengemeinde bei uns aufbewahrt wird. Von daher bestanden gute Kontakte zu amarcord, und tatsächlich fand sich das Ensemble sofort bereit, als wir sie fragten, ob sie mit uns ein interaktives Konzert gestalten wollten, bei dem nicht nur gesungen, sondern das Gesungene auch durch Experten erklärt, diskutiert und in den historischen Zusammenhang eingebettet wird.

Das Konzert war ein Experiment für uns alle, für amarcord, für die Professoren Felix Heinzer und Jeremy LLewellyn aus Freiburg i. Br. und Basel, die als Musik- und Liturgieexperten mitgemacht haben, und für uns von der Bibliothek. Aber es ist gelungen, denn 140 Besucher_innen füllten am Mittwochabend die Eingangshalle der Albertina bis auf den letzten Platz und hörten gespannt zu, wie amarcord eine ganze Messfeier Station für Station durchsangen und die beiden Experten sich immer wieder mit Erklärungen und Kommentaren einschalteten. Wer wollte, konnte alles in der Handschrift mitlesen, deren entsprechende Seiten auf eine große Leinwand gestrahlt wurden. Und nach 90 Minuten interaktivem Konzert blieben sogar ca. 40 Hartnäckige und diskutierten mit den Sängern und den Experten eine Stunde lang weiter.

Handschriften und international relations

Am Donnerstag kam es am späten Vormittag im Handschriftenzentrum zu einer Begegnung zwischen Handschriftenbearbeiterinnen und –bearbeitern aus Leipzig mit zwei Gästen von Prof. Gregory Crane (Humboldt Professur „Digital Humanities“, Leipzig): Neel Smith, Associate Professor am College of the Holy Cross, Massachusetts, und Christopher W. Blackwell, The Louis G. Forgione University Professor of Classics an der Furman Universität, South Carolina. Der Besuch war kurzfristig angekündigt worden. Daher wurde den Gästen anstelle einer Handschriftenschau ein direkter Einblick in die Arbeit des Handschriftenzentrums gewährt.

Neel Smith und Chris Blackwell konnten sozusagen in Echtzeit die laufenden Arbeiten beobachten, kommentieren und Rückfragen stellen. Eine lateinische liturgische Handschrift aus Naumburg zeigte Matthias Eifler, Dr. Werner Hoffmann eine deutschsprachige Handschrift aus dem Dresdener Projekt. Absoluter Höhepunkt, nach eigener Aussage das „highlight“ dieser anderthalb Stunden, war für die Gäste die Begegnung mit der Leipziger Homer-Handschrift Cod.gr.32 (zu der weiter unten Dr. Friederike Berger, die Bearbeiterin der griechischen Handschriften, noch etwas schreiben wird).

Als abschließend Katrin Sturm die Datenbanken Wasserzeicheninformationssystem und Manuscripta Mediaevalia vorstellte, die beide am Leipziger Handschriftenzentrum wesentlich weiterentwickelt bzw. gefüttert werden, kannte die Begeisterung von Neel und Chris schier keine Grenzen. Es wurde deutlich, welcher qualitative Sprung an Erkenntnis stattfinden kann, wenn es gelingt, die unterschiedlichen hoch spezialisierten Kompetenzen zusammenzuführen und miteinander ins Gespräch zu bringen. Genau das geschieht in Leipzig. (Dr. Almuth Märker)

Dr. Friederike Berger mit Neel Smith und Chris Blackwell

Im digitalen Zeitalter ist viel von Text und Metatexten die Rede; die Leipziger Homer-Handschrift Cod.gr.32 ist für dieses Phänomen ein Beispiel aus dem Mittelalter und der frühen Neuzeit. Die Geschichte der Handschrift ist spannend: Vielleicht in Thessaloniki entstanden, kam sie wohl über Konstantinopel nach Italien und von dort nach Leipzig. Sie überliefert eine Abschrift der Ilias mit ausführlichen Kommentaren (Scholien), die ein byzantinischer Gelehrter um die Wende vom 13. zum 14. Jh. am Rand und zwischen den Zeilen geschrieben hat. Vieles wird er in seiner Vorlage gefunden haben, anderes stammt vielleicht von ihm oder seinem Lehrer. Im 15. Jh. wurde die Handschrift restauriert, fehlende Teile ergänzt und als Einleitung u. a. der Homerkommentar des Ioannes Tzetzes hinzugefügt. Auch die ergänzten Teile sind kommentiert.

Neel Smith und Chris Blackwell wollen diese mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Texte in der virtuellen Welt des Internets darstellen. Aus jedem antiken Scholion wird dort ein Link und vielleicht kann man dann mit einem Klick erfahren, was man jetzt mühsam lesen muss. (Dr. Friederike Berger)