Leiterin des Teams Fernleihe
Leipzig – Hongkong und zurück
Auch Bücher haben ein bewegtes Leben
Als zweiten Teil unserer Reihe „Sieben Fragen an…“ befragten wir Ute Nitzschner, Leiterin des Teams Fernleihe an der UBL:
1. Stimmt es, dass die UBL Bücher nach Hongkong verleiht?
Ja, es handelte sich um eine französische Dissertation aus den 40er Jahren, die angefragt wurde und tatsächlich sechs Wochen dorthin unterwegs war. Zugegeben, ein seltener Fall, aber die internationale Fernleihe gehört ebenso zum Netzwerk Fernleihe wie der Verleih innerhalb Deutschlands.
2. Es ist also ein Geben UND Nehmen?
Genau, Medien, die vor Ort nicht vorhanden sind, werden aus anderen Bibliotheken angefordert und umgekehrt. In Deutschland sind ca. 1.600 Bibliotheken Teil dieses gut organisierten Systems. Im vergangenen Jahr haben wir ca. 20.000 Medien „gegeben“ und ca. 12.000 „genommen“.
3. Welchen Weg nimmt die Bestellung, nachdem ich sie online abgeschickt habe?
Es gibt einen „Leitweg“, der zunächst durch die sächsischen Bibliotheken führt. Wenn dort keine den gesuchten Titel besitzt, wird die Bestellung durch die deutschen Bibliotheksverbünde geschickt. Das geht so lange, bis eine Bibliothek das Bestellte im Bestand hat und bereit ist, es in die Fernleihe zu geben. Dann wird es von ihr mit einem Büchertransportdienst an eine Verteilungszentrale in Göttingen gegeben, die es dann an die nehmende Bibliothek schickt. Der Versand über diesen Containerdienst ist kostengünstiger als der Direktversand per Post.
4. Deshalb dauert Fernleihe so lange?
Die Bestellung durchläuft somit viele Hände an vielen Orten. Am Ziel muss das Buch herausgesucht, verbucht und für den Versand vorbereitet werden. Anschließend ist es einige Tage auf dem Versandweg. Hier in der UBL angekommen, werden die Pakete von unserer Poststelle auf Wagen gepackt. Jeden Tag sind zwei dieser Wagen zu bearbeiten. Die analogen Zeiten, als die Bestellungen noch per Schreibmaschine (und nur so!) von den Nutzerinnen und Nutzern auf rote Bestellscheine getippt werden mussten und diese dann per Post von Bibliothek zu Bibliothek geschickt wurden, sind zum Glück vorbei. Da war mit einer Wartezeit von mindestens vier Wochen zu rechnen und man musste schon einen guten Zeitplan für die Literaturbeschaffung haben.
Aufsatzkopien erhält man natürlich deutlich schneller. Das braucht oft nur einen Tag bis ca. eine Woche, da sie digital versandt werden. Aufgrund des Urheberrechts dürfen diese Kopien aber nicht digital an den Besteller oder die Bestellerin versandt, sondern nur als Papierausdruck zur Verfügung gestellt werden.
5. Was kostet die Fernleihe und wie kommen die unterschiedlichen Leihfristen zustande?
Für jede Fernleihbestellung wird eine Bearbeitungsgebühr von 1,50 € erhoben.
Die tatsächlichen Kosten (Verpackung, Versand, Bearbeitung etc.) sind aber höher und werden durch ein Verrechnungssystem innerhalb der Verbünde ausgeglichen.
Dabei wird „Geben“ und „Nehmen“ gegeneinander verrechnet.
Für Studierende und Angehörige der Universität Leipzig übernimmt die Bibliothek inzwischen die Kosten für die Fernleih-Bestellung.
Besondere Aufwendungen (z. B. gebührenpflichtige Kopien von mehr als 40 Seiten oder Bestellungen über den internationalen Leihverkehr) werden dem Besteller allerdings in Rechnung gestellt.
Die Leihfrist wird von der gebenden Bibliothek festgelegt. Sofern nicht von vornherein eine verkürzte Leihfrist festgelegt ist, können die Bücher für sechs Wochen ausgeliehen werden. Eine Verlängerung ist nicht möglich, da in dieser Frist schon eine automatische Verlängerung enthalten ist.
6. Wie ist der Bestellweg bei internationalen Fernleihen?
Die internationale Fernleihe ist nicht Teil des automatisierten Leitwegs. Hier ist immer eine Rücksprache mit der Bibliothek erforderlich. Es entstehen auf jeden Fall höhere Kosten. Innerhalb Europas liegen sie bei ca. 8 bis 16 €. Für eine Kopienlieferung als PDF aus den USA wurden sogar schon mal über 30 € berechnet. Den größten Anteil an Literaturaustausch innerhalb Europas nimmt Österreich ein. Aber nicht nur die Kosten sind ein Faktor, der beachtet werden muss, auch die Lieferfristen sind natürlich länger.
7. Was wünschen Sie sich für die Fernleihe der Zukunft?
Wünschenswert wäre die persönliche Nachverfolgbarkeit von Bestellungen, um sich über den Stand der Bearbeitung besser informieren zu können. Dafür wäre ein deutschlandweit einheitliches System notwendig.
Auf jeden Fall wird daran gearbeitet, dass auch E-Books über die Fernleihe bereitgestellt werden können. Das wäre ein großer Fortschritt. Die momentanen Einschränkungen liegen vor allem bei der Lizenzvergabe der Verlage. Es ist weniger ein technisches als ein urheberrechtliches Problem.
Die Fragen stellte Petra Löffler.
Informieren und nachverfolgen können Sie aber auch heute schon, denn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fernleihe in der Universitätsbibliothek beantworten Ihre Fragen rund um die Fernleihe gern persönlich:
Tel.: +40 341 97-30532 oder per Mail: fernleihe-info@ub.uni-leipzig.de
Sind es wirklich „urheberrechtliche“ oder nicht vielmehr „veröffentlichungsrechtliche“ Hindernisse? Es klagen ja keine -Urheber-, sondern allenfalls die -Verlage-, denen die Urheber ihre Vervielfältigungsrechte zuvor nolens volens übertragen haben.
Da haben Sie Recht. Bibliotheken können an E-Books genau genommen kein Eigentum erwerben, wie wir hier in einem anderen Zusammenhang ausführlicher geschildert haben. Aus diesem Grund können wir E-Books nicht im herkömmlichen Sinne verleihen, ohne dabei mit Verlagen zu kooperieren und Lizenzen dafür auszuhandeln – egal ob Ortsleihe oder Fernleihe.
Ein urheberrechtliches Problem ist es in dem Sinne, dass immer wieder gefordert wird, das Urheberrechtsgesetz zu ändern, damit die Verleihbedingungen für elektronische Bücher denen von physischen Medien gleichgestellt werden. Vor allem für öffentliche Bibliotheken ist diese Ungleichbehandlung derzeit ein großes Problem. Für wissenschaftliche Bibliotheken ist E-Book-Fernleihe auch unter den jetzigen rechtlichen Rahmenbedingungen im Prinzip möglich, wenn man entsprechende Vereinbarungen mit den E-Book-Anbietern schließt. Im Bibliotheksverbund Bayern läuft dazu bereits ein Pilotprojekt.