Stylischer Neubau auf dem Lande
Flirrende Hitze und würziger Stallgeruch empfangen uns, als wir durch eines der zahlreichen Tore auf den Campus der Veterinärmedizin radeln. Baumbestandene Alleen mit Kopfsteinpflaster, weiß verputzte Stallgebäude mit Holzverschlägen und hie und da ein über die Stalltür gerecktes Maul lassen uns fast vergessen, inmitten von Leipzig zu sein.
Vor uns ragt ein sachlicher Kubus auf, der im Gegensatz zum beinah dörflichen Umfeld kühle Eleganz ausstrahlt. Die rotbraune, holzvertäfelte Fassade mit ihren senkrecht gliedernden Fensteröffnungen zieht den Blick auf sich. Der Bau ist in einer Senke gelegen und nach einigen Treppenstufen aufwärts befinden wir uns auf einer großzügigen, mit Holzbänken und –tischen ausgestatteten Terrasse wieder.
Vor dem Eingang wartet ein Hund auf die Rückkehr seines Herrchens oder Frauchens und im gleißenden Sonnenlicht schimmern organisch anmutende Kunstobjekte in verschiedenen Farben.
Die Bibliothek – unser Reiseziel – befindet sich im Souterrain und wurde im November 2008 eröffnet. Die Nutzungsbedingungen haben sich mit dem Bezug der neuen Räume erheblich verbessert. Befanden sich doch im Vorfeld die Bestände der Veterinärmedizinischen Bibliothek an zeitweise 17 (!) verschiedenen Nebenstellen. Untergebracht war die Bibliothek seit 1969 im Gebäude des Anatomischen Instituts. Die dortigen Räumlichkeiten entsprachen jedoch nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Bibliotheksnutzung und erreichten auch seitens der Kapazitäten ihre Grenzen. Heute teilt sich die Bibliothek den Neubau mit der Mensa im Erdgeschoss sowie Hörsaal und Seminarräumen in den oberen Etagen.
Nun gehen wir aber endlich hinein. Hier empfängt uns eine zweckmäßige Innenarchitektur aus Glas, Beton, Stahl und – mit Öffnen der Bibliothekstür – eine nahezu greifbare Stille.
Klassische und moderne bibliothekarische Dienstleistungen
Die Bibliothek umfasst einen großen Raum in dem zentral die Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, umgeben von den in Freihand aufgestellten Printmedien. Neben dem klassischen Angebot an Büchern und Zeitschriften hält die Bibliothek Zugang zu online verfügbaren Medien und Datenbanken bereit. Vieles davon ist frei zugänglich, der Rest über das Campusnetzwerk erreichbar.
Insbesondere die Online-Angebote werden gern genutzt, berichtet die Bibliotheksleiterin Frau Katrin Schmidt. Da jedoch aus Kostengründen nicht alle notwendigen Titel lizenziert werden können, bietet die Universitätsbibliothek einen Dokumentenlieferdienst für Universitätsangehörige an. „Ich glaube, da sind wir von der UB die Spitzenreiter mit sagenhaften Bestellzahlen. (…) Die Hälfte der Bestellungen fällt auf uns zurück.“, erzählt sie uns weiter.
Dem gegenüber steht ein Rückgang beim Kauf von Printmedien, der allgemein im Bibliothekswesen aufgrund jährlich steigender Bezugskosten für Zeitschriften zu verzeichnen ist und auch hier Einzug gehalten hat. Der Zuwachs an Printmedien sei in den letzten Jahren generell sehr bescheiden gewesen, da nur ein geringfügiger Erwerbungsetat gegeben ist, erfahren wir weiter. Erfreulicherweise kommt Unterstützung seitens des Freundeskreises Tiermedizin, der jährlich ca. 6.000 Euro für den Erwerb von Lehrbüchern bereitstellt.
Der größte Teil der Bücher und Zeitschriften ist direkt zugänglich. Lediglich weniger nachgefragte und ältere Literatur ab 1850 befindet sich im angrenzenden Magazin. Der historische Altbestand wird in den dafür geeigneten Magazinen der Bibliotheca Albertina aufbewahrt und kann dort vor Ort in den (Sonder-)Lesesälen eingesehen werden. Ergänzt wird das Angebot durch speziell auf Medizinerinnen und Mediziner, Naturwissenschaftlerinnen und Naturwissenschaftler zugeschnittene Schulungen zu den Themen Recherche, Datenbanken und Literaturverwaltung, die von der Fachreferentin für Veterinärmedizin Dr. Astrid Vieler realisiert werden.
Die meisten Bibliotheksbesucherinnen und -besucher sind Studierende der Veterinärmedizin oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fakultät und bringen somit eine ausgeprägte Affinität zur Tierwelt mit. Bislang, so wird uns aber beinah erstaunt versichert, wollte jedoch erst ein einziges Mal jemand das eigene Tier mit in die Bibliothek bringen. Die Nähe zu den Studentenwohnhäusern in der „Straße des 18. Oktober“ verschlägt aber auch schon mal den einen oder anderen Jurastudierenden zum Lernen in die ruhigen Räumlichkeiten. Während unseres Besuchs in der Semesterpause sind nur wenige Plätze besetzt. Aber im laufenden Semester und natürlich während der Prüfungsphasen bleiben kaum Stühle frei. Die kurzen Wege auf dem Campus und die gemeinsame Nutzung des Neubaus durch Lehrräume, Mensa und Bibliothek stärken das ausgeprägte Campusflair.
„Seit dem Umzug ist die Bibliothek als wichtige Einrichtung der Studenten mehr und mehr etabliert. Ich würde denken, die Benutzung hat zugenommen, von denen, die hier sitzen und lernen oder sich einen Raum reservieren. Das war in der alten Bibliothek nicht so, weil da sehr beschränkte Raumverhältnisse herrschten und es auch sehr wenige Arbeitsplätze gab.“, bestätigt Frau Schmidt.
Ausgeprägtes Campusflair und Lieder im Aquarium
Neben Leipzig kann Veterinärmedizin noch an vier anderen Universitäten studiert werden: Berlin, Gießen, Hannover und München. Der hiesige Campus ist jedoch der mit Abstand Schönste. Auch die Studierenden scheinen ihn zu schätzen. Traditionell widmet die jeweilige Matrikel der Bibliothek zum Bergfest ein eigens gedichtetes Lied und trägt es vor. 2013 ertönte:
„Es gibt wieder viel zu lern‘.
Bücher hätt ich dafür gern.
Doch das Geld ist rar, kein Cent ist mehr da,
Die Bücher weiter fehlen, woher nehmen, wenn nicht stehlen.Im Keller ist die Rettung nah,
Salo, Löffler, alle da.
Betret ich den Eingang, wird ich freundlich empfang.
Von 3 netten Damen, die früh morgens kamen inDie Bibo,
Wann immer ich auch ein Buch suche,
ich finde es wohl in der
Bibo,
Und oft ich es von daheim buche,
und es später abhol in der
Bibo. (…)“.
Frau Schmidt und ihr Team sind zufrieden mit dem Neubau. Der einzige Aspekt, den sie bedauern ist, dass während der Innenraumplanung der Bedarf an Carrels zur konzentrierten Einzelarbeit nicht berücksichtigt wurde. Da viele Veterinärmediziner im Anschluss an ihr Studium promovieren, ist eine hohe Nachfrage gegeben.
So still und routiniert war es nicht immer. Richtig in Atem hielt Frau Schmidt und ihr Team ein ausgeprägter Wasserschaden im Jahr 2013. „Die Niederschlagsmengen waren so hoch, dass Wasser durch die geschlossenen Fenster reingelaufen ist. Das war wie im Aquarium. Das Wasser stand an den Fenstern rundum.“, erzählt Frau Schmidt. Über Monate liefen, um den Bibliotheksbetrieb nicht stillzulegen, nachts die Belüftungs- und Trocknungsgeräte. Glücklicherweise ist kein nachhaltiger Schaden am Bau oder den Buchbeständen entstanden.
Bevor wir gehen, haben wir noch eine letzte Frage: „Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, was würden Sie sich für Ihre Bibliothek wünschen?“ Und erwarten Großes als Antwort, z.B. die älteste nachgewiesene veterinärmedizinische Schrift, das Papyrus Kahun LV2 von ca. 1.800 v.Chr. (leider in London) oder ein Ausstellungsraum für historische Wachsmodelle oder die Verdoppelung des Erwerbungsetats für elektronische Fachjournale oder…
Die Antwort fällt dann sehr bescheiden aus. „Eine kleine bequeme Sitzecke wäre unsere Zukunftsvision!“, sagt Frau Schmidt. So unerfüllbar erscheint er gar nicht, der größte Wunsch…
Text: Jana Braun
Fotos: Caroline Bergter, Jana Braun [Fahrrad; Mitarbeiterinnen]