#BibTour: Musik

Die Musikstadt Leipzig hat nicht nur ein Herz, sie hat viele: Neun Orte Leipzigs wurden jüngst als Europäisches Kulturerbe ausgezeichnet, darunter die Musikhochschule, das Mendelssohnhaus und das Gewandhaus mit seinem weltberühmten Orchester. Ein Standort der UBL ist diesen Musikorten besonders nahe – räumlich, historisch und ganz aktuell: die Bibliothek Musik.

Moderne Bibliothek auf historischem Boden

  • Die Bibliothek Musik
  • Direkt verbunden: Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig
  • Außergewöhnlich: Geräuscheverursacher direkt in der Bibliothek
  • Blick hinaus auf historischen Ort des Ersten Gewandhauses
  • Durchaus zweckmäßig: der aktuelle Standort der Bibliothek Musik

Die Bibliotheksräume in der Leipziger Innenstadt, direkt gegenüber dem Hauptcampus der Universität Leipzig gelegen, sind nüchtern und zweckmäßig: abgehängte Decken, Neonröhren, Teppichboden. Man sieht ihnen nicht an, dass hier auf diesem Grundstück – quasi in Hörweite – zwei der wichtigsten Institutionen der Musikstadt Leipzig ihren Ursprung haben. Wer von der Universitätsstraße her kommend auf dem Weg in die dritte Etage nicht den Fahrstuhl nimmt, findet einen Hinweis: Im Treppenhaus markiert eine symbolische Tür mit Gedenktafel den Eingang zum früheren Gewandhaussaal. An dieser Stelle im ersten Obergeschoss betrat man ab 1781 Leipzigs Musiktempel. Damit nicht genug: Im Innenhof Richtung Neumarkt gründete 1843 Felix Mendelssohn Bartholdy das Konservatorium der Musik, die heutige Hochschule für Musik und Theater (HMT). Auch wenn das ganze Karree Ende des 19. Jahrhunderts mit dem Städtischen Kaufhaus überbaut wurde – in der Bibliothek Musik und im Tür an Tür gelegenen Institut für Musikwissenschaft der Universität Leipzig freut man sich über die historischen Bezüge.

Obwohl in dieser Bibliothek alles um die Musik kreist, ist es meist bibliothekstypisch ruhig. Nur manchmal hört man ein gedämpftes Pochen. Dann hat sich jemand an das E-Piano mit angeschlossenen Kopfhörern gesetzt und probiert ein Klavierstück aus oder vergegenwärtigt sich eine Melodie. Vor allem Studierende und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Instituts für Musikwissenschaft arbeiten hier zwischen über 18.000 Notenausgaben und ungefähr ebenso vielen Büchern zur Musik, zwischen CDs und Fachzeitschriften. Hin und wieder kommen Angehörige anderer Leipziger Musikinstitutionen wie Gewandhaus und Oper in die Bibliothek. „Manchmal ist es wie eine Familie“, sagt Christine Böttcher. Die Leiterin der Bibliothek schätzt den persönlichen Kontakt, der sich zu vielen Nutzerinnen und Nutzern über die Jahre einstellt.

 

Musikrecherche heute und früher

Wie sind sie so, die musikbeflissenen Studierenden? „Nachtaktiv! Oft wird es am Nachmittag erst richtig voll. Und dann schaue ich in traurige Gesichter, wenn wir schließen. Die idealen Öffnungszeiten wären von Mittag bis Mitternacht.“ Da trifft es sich gut, dass die Universitätsbibliothek für Studierende der Musikwissenschaft nicht der einzige Ort ist, wo sie Fachliteratur, Noten und Tonträger bekommen. Mit der Bibliothek der HMT, der Musikbibliothek der Stadtbibliothek, dem Deutschen Musikarchiv an der Nationalbibliothek und der Bibliothek des Bach-Archivs stehen in Leipzig insgesamt geradezu luxuriöse Bedingungen für musikbezogene Recherchen zur Verfügung. Alle bis auf die Stadtbibliothek lassen sich parallel über den Regionalkatalog Lerχe abfragen.

  • Leiterin Christine Böttcher mit historischem Zettelkasten
  • Legendärer Umzug aus dem Krochhochhaus ins Mendelssohnhaus
  • Ankunft Kisten mit Werkausgaben im Mendelssohnhaus ...
  • ... die hier aufgestellt werden sollen ...
  • ... erfolgreich vollbracht!

Im Vergleich zu früher sind die Arbeitsbedingungen in der Bibliothek Musik heute sehr gut. Christine Böttcher weiß das genau: Seit 1990 arbeitet sie in der Bibliothek Musik und hat in dieser Zeit vier Standorte erlebt.

In der Tieckstraße 4 waren Musikwissenschaft und Musikpädagogik samt der zugehörigen Bibliothek untergebracht – „Eine herrliche Villa. Aber marode! Wir saßen im Erdgeschoss und der Salpeter kroch die Wände hoch.“ An einen offenen Zugang wie heute war damals noch nicht zu denken. Wer etwas suchte, kam zu Frau Böttcher und ihrem Zettelkasten, sie holte die Medien dann aus dem Magazin. Der erste Umzug führte sie 1994 ins Krochhochhaus – und brachte mehr Verschlechterungen als Verbesserungen. Eine Bibliothek in der fünften und sechsten Etage, ohne Fahrstuhl. Musikwissenschaft und Musikpädagogik hatten sich inzwischen getrennt. Die (angehenden) Musikwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler mussten aus ihrem Interim in der Grimmaischen Straße 19 herüberlaufen, während die Musikpädagoginnen und -pädagogen im Krochhochhaus bis zur zehnten Etage verteilt waren. Die Nutzungszahlen sanken rapide. Immerhin: Ein Teil der Bestände war nun frei zugänglich. Und die ersten Computer hielten Einzug in die Bibliothek. Nach drei Jahren hatte das Provisorium ein Ende. Die Klaviere des Instituts für Musikpädagogik, die gerade erst die Treppen hinauf geschleppt worden waren, schwebten nun außen am Kran wieder herunter.

Während die Musikpädagogik in die Brüderstraße zog, waren Bibliothek und Institut für Musikwissenschaft nun wieder unter einem Dach vereint. Und unter was für einem: Beide residierten in schönen historischen Räumen im Mendelssohnhaus in der Goldschmidtstraße, die Bibliothek direkt im Erdgeschoss unter der Wohnung des Gewandhauskapellmeisters und Konservatoriumsgründers, das Institut zwei Etagen darüber. Legendär ist der Umzug der Bibliothek ins Mendelssohnhaus. Christine Böttcher und Charlotte Bauer, die stellvertretende Direktorin der UBL, räumten die hohen Regale eigenhändig ein. Frau Böttcher erinnert sich: „Eine von uns stand unten beim Umzugskarton, die andere oben auf der Leiter. So ein Band einer Wagner-Gesamtausgabe ist schwer und solche Bände gibt es viele. Abends fühlten wir uns wie gerädert.“

 

Blick in die Zukunft

Der letzte Umzug 2013 ins Städtische Kaufhaus war dann schon weitaus bequemer, durchgeführt von einer Umzugsfirma. Aber es wird hoffentlich nicht der letzte Umzug dieser Bibliothek gewesen sein. Die HMT, die Hochschule für Grafik und Buchkunst und die Universität Leipzig haben einen Bauantrag für die Errichtung einer Bibliothek der Künste als Anbau an die Bibliotheca Albertina gestellt. Damit sollen die Kompetenzen der drei Hochschulen gebündelt und auch die von Christine Böttcher erträumten langen Öffnungszeiten ermöglicht werden. Die Bestände der Bibliothek Musik werden wieder näher an die Musikhochschule rücken – ein logischer Schritt angesichts der ausgezeichneten Beziehungen zwischen Universität und UBL auf der einen und der Musikhochschule und ihrer Bibliothek auf der anderen Seite: Seit 2016 kooperieren die beiden musikwissenschaftlichen Institute an Uni und Musikhochschule und sollen langfristig zu einem Zentrum für Musikwissenschaft verschmelzen. Die Bibliothek der HMT benutzt die an der UBL mitentwickelte Katalogsoftware VuFind und ist Mitglied der von der UBL angeführten finc-Nutzergemeinschaft.

Historische Orte der Musik in Leipzig – zu finden in der Bibliothek Musik

Noch etwas Schönes wird der Umzug in die Bibliothek der Künste bringen: Der historische Standort des Zweiten Gewandhauses – direkt gegenüber der Bibliotheca Albertina, wo heute das GWZ steht – wäre gleich um die Ecke.

Text: Stephan Wünsche
Fotos: Caroline Bergter, Archivmaterial

Stephan Wünsche

Dr. Stephan Wünsche ist an der Universitätsbibliothek Leipzig Referent am Open Science Office und unter anderem für die Themen Forschungsdatenmanagement und Forschungsinformation zuständig. Außerdem ist er Fachreferent für Musik.