Aus der Datenküche

Wo gibt es bei Hauspartys die interessantesten Gespräche? Wo erfährt man am Arbeitsplatz etwas darüber, was Kolleg*innen gerade beschäftigt? In der Küche natürlich.

Zwanglose Küchengespräche werden von vielen zurzeit schmerzlich vermisst. SaxFDM, die Initiative für das Forschungsdatenmanagement in Sachsen, hat diese Begegnungen nun kurzerhand ins Digitale verlegt. Seit Anfang des Jahres lädt die Initiative zur Digital Kitchen. Das einstündige Format ist zwar nicht ganz so frei und spontan wie in einer wirklichen Küche, erlaubt aber weit mehr Menschen, einfach einmal vorbeizuschauen, mitzureden und mitzukochen. Zu einem thematischen Schwerpunkt werden Gäste eingeladen, die ihre Arbeitsfelder, Projekte und Ideen rund ums Forschungsdatenmanagement (FDM) vorstellen – und darüber miteinander und mit dem Publikum ins Gespräch kommen möchten.

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Handschriftenkatalogisierung – Handschriftendigitalisierung – digitale Handschriftenforschung

Ein persönlicher Rückblick aus dem Wissenschaftlichen Beirat der Handschriftenzentren von Jeffrey Hamburger

Prof. Dr. Jeffrey F. Hamburger (Harvard University) war Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Handschriftenzentren von dessen Einrichtung 2006 bis 2012. Er vertrat dort das Fachgebiet Kunstgeschichte/Buchmalerei. Eine große Ausstellungsserie zur ‚Buchmalerei des 15. Jahrhunderts in Mitteleuropa‘ in den Jahren 2015/16 ging auf seine Initiative zurück; die begleitenden Ausstellungskataloge der Reihe ‚10 Stationen zur mitteleuropäischen Buchmalerei des 15. Jahrhunderts‘ gab er zusammen mit Christoph Mackert, dem Leiter des Leipziger Handschriftenzentrums, heraus. Sein Rückblick ist Teil der Blogserie zu 20 Jahre Leipziger Handschriftenzentrum.

Lassen Sie mich mit einer Geschichte beginnen. Vor etwa dreißig Jahren, im Jahr 1989 und gerade mit der Hochschule fertig, machte ich mich daran, den Inhalt eines Gebetbuchs zu beschreiben, das ich in einer kleinen, wenn auch wichtigen französischen Provinzbibliothek gefunden hatte (Bibliothèque humaniste, Séléstat/Elsass). Obwohl sein Erscheinungsbild nicht sehr vielversprechend war, hatte es meine Aufmerksamkeit erregt, weil es, soweit ich es anhand der ausgestellten Anfangsseite beurteilen konnte, sowohl in Hinblick auf den Textinhalt als auch die Illustration eng mit jenem Gebetbuch verwandt zu sein schien, das traditionell Hildegard von Bingen zugeschrieben wird. Eingedenk der Bemerkung des berühmten belgischen Gelehrten Léon Delaissé, einem der Gründerväter der modernen Kodikologie (d. h. des Studiums der physischen Beschaffenheit der Manuskripte im Gegensatz zu ihrem textlichen Inhalt), dass man, um die Berggipfel zu verstehen, auch die Täler studieren müsse, machte ich mich daran, dieses scheinbar unbedeutende und bisher unveröffentlichte Manuskript näher zu untersuchen.

Gebetbuch-Handschrift Séléstat, Bibliothèque humaniste, MS 104
Photos: Jeffrey F. Hamburger
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Von Ketten befreit, auf Zetteln erfasst (I/III)

Das Gerüst der Büchertürme

Wenn das Gebäude einer Bibliothek die Haut und die Bücher und Bände das Fleisch ausmachen, dann kann man mit Fug und Recht die Kataloge als das Skelett dieses Organismus bezeichnen. Sie sind das Gerüst, auf dem die Ordnung aufbaut, durch sie wird das Chaos des Wissens in geordnete Bahnen gelenkt. Der Sachkatalog unterliegt einer Systematik, die Wissensbereiche definiert, in Beziehung zueinander stellt, sie hierarchisiert. Der alphabetische Katalog listet streng die Autor*innen und ihre Werke auf und dient den kundigen Nutzer*innen als Nachweisinstrument. Informationen werden durch beide erst auffindbar und nutzbar gemacht. Die Signatur ist dann das Verbindungselement zwischen Katalog und Buch. Sie weist der Nutzer*in den Weg zum Regal und mit der Nutzung wird schließlich Leben in die Bibliothek eingehaucht.

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Bei den Papyri in die Lehre gehen

Der Unterricht fällt aus

Es hatte mit so schönem Schwung begonnen. Im Dezember 2019 fand in der Universitätsbibliothek Leipzig ein viertägiger Workshop zur Papyrusrestaurierung statt. Es war nicht der erste, den der Leiter der Restaurierungswerkstatt Jörg Graf, Spezialist für konservatorische Fragen rund um Papyrus als Schreibmaterial aus dem Alten Ägypten, in seiner Werkstatt veranstaltet hatte. Aber es war der erste, dessen Durchführung durch ein KEK-Modellprojekt gefördert war: Den Teilnehmerinnen und Teilnehmern konnte ein neu beschafftes Werkzeugset für die konservatorische Behandlung von Papyrus zur Verfügung gestellt werden. Außerdem wurden die Fahrt- und Übernachtungskosten aus den Projektmitteln refinanziert.

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Von Wasserzeichen, Digitalisierungsworkflows und Weihnachtsfeiern

Luise Tönhardt war von September 2016 bis Dezember 2019 Hilfskraft am Handschriftenzentrum Leipzig und arbeitet heute in Berlin am Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) in der Öffentlichkeitsarbeit. Ihr Beitrag ist Teil der Blogserie zu 20 Jahre Leipziger Handschriftenzentrum.

Ich starre auf das Papier und bin ratlos. „Tochter Zion“?! Wie soll ich das pantomimisch darstellen? Zu diesem Zeitpunkt hat die Weihnachtsfeier des Handschriftenzentrums Leipzig ihren Höhepunkt erreicht, denn wir spielen traditionell wie jedes Jahr Scharade, die Stimmung ist aufgeheizt und ich hätte wissen können, dass der Oberbegriff „Weihnachten“ in einer Runde von Mediävist*innen, Altphilolog*innen und (Kunst-)Historiker*innen weit über „Lebkuchen“, „Tannenbaum“ und „Schlittenfahrt“ hinausgeht.

Impressionen vergangener Weihnachtsfeiern (2016-2019)

Auf ein Papier starren und erst einmal ratlos sein, scheint mir rückblickend fast programmatisch für meine Arbeit als Studentische Hilfskraft am Handschriftenzentrum. Anders als beim kompetitiven Scharade-Spiel gibt es hinter der grauen Sicherheitstür im 4. OG der Albertina aber nur ein Team und das hat große Freude am Rätseln.

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Das neue Handschriftenportal: Jetzt auch zum Ausprobieren!

Mittelalterliche und neuzeitliche Handschriften? Die meisten kennen sie mindestens aus Filmen wie Der Name der Rose, aber sie sind natürlich in erster Linie unverzichtbare Quellen für viele historisch arbeitende Wissenschaften. Wenn auch nichts das haptische Erleben eines alten Codex ersetzen kann, so ist es doch nicht immer möglich, sinnvoll oder praktikabel, direkt mit dem Original zu arbeiten.

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Es war einmal im Fürstenzimmer

oder: von minne und Liebe

Es gab einmal eine Zeit, in der nicht Corona unser Leben bestimmte und in der auch nicht Brandschutzbaumaßnahmen in der Bibliotheca Albertina die Oberhand hatten. An diese nichtgraue Vorzeit erinnere ich, denn das Vergangene ist nicht tot, es ist nicht einmal vergangen, wie die Literaten richtig schreiben.

Das Handschriftenzentrum in Leipzig ist für uns als Lehrende, nicht nur der germanistischen Mediävistik, ein unglaublicher Zugewinn. Denn wir können (früher zumindest konnten wir) die historischen Bestände als originale Quellen, nicht nur als Digitalisate, in unseren Unterricht einbeziehen und die bei den Studierenden oftmals unbeliebten Lektüren mittelalterlicher Texte durch den Blick auf originale Handschriften und deren Geheimnisse auflockern. Ich habe es mir zur Gewohnheit werden lassen, mit den Einführungskursen im Sommersemester stets auch eine Seminarsitzung zu konzipieren, die im Fürstenzimmer der Albertina stattfand, in der wir um den schweren Holztisch saßen und uns von Christoph Mackert oder von Katrin Sturm Handschriften aus dem Bestand der UB zeigen und erläutern ließen. Mittelalterliche Literatur wurde dadurch sichtbar und riechbar, ganz vorsichtig auch berührbar.

Das Leipziger Handschriftenzentrum (Gruppenphoto 2018) mit seinem Leiter Christoph Mackert (links)
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20 Jahre Leipziger Handschriftenzentrum

Am 6. Dezember 2020 feiert das Handschriftenzentrum an der Universitätsbibliothek (UB) Leipzig sein 20-jähriges Bestehen. Als eine zentrale Forschungs- und Kompetenzeinrichtung erschließt und digitalisiert es Handschriftenbestände für Institutionen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen und darüber hinaus.

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Dorthin gehen, wo der Schmerz tief sitzt

Buchruinen restaurieren – nur ein starkes Bild oder Teil unserer Bibliotheksgeschichte?

Krieg und Zerstörung fügen dem Menschen Traumata zu, die oft über Jahrzehnte nachwirken. Doch auch einem ganzen Stadtbild oder einzelnen Gebäuden kann man ein bis zwei Generationen danach die Narben solcher Wunden noch ansehen. Gleiches gilt für Bücher, die von Krieg und seinen Auswirkungen in Mitleidenschaft gezogen wurden.

„Aus Ruinen auferstanden. Mengenrestaurierung und Verpackung stark geschädigter Drucke des 16.–18. Jahrhunderts“ lautete der Titel eines Projektantrags, den die Universitätsbibliothek Leipzig für einige Bände stellte, die man nur als Buchruinen bezeichnen konnte. Die Formulierung „Aus Ruinen auferstanden“ spielt auf die 40 Jahre lang gesungene Nationalhymne einer der beiden deutschen Staaten (DDR: 1949–89) an. Denn zur „Ruine“ waren sie nicht durch die unmittelbare Kriegseinwirkung, sondern erst in den Jahren danach geworden.

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Jobsuche, Gerichtsprozesse, Partnerwahl

Wie man Probleme im römischen Ägypten löste

Fragen nach dem Ergreifen des richtigen Berufs, dem Ausgang von Klagen vor Gericht oder ob die Partnerwahl zu einem erfüllten Leben führen würde, beschäftigten Menschen in der Antike wie heutzutage. P.Lips.Inv. 148 und 1082 sowie P.Lips.Inv. 2207, zwei griechische Papyrusfragmente der Leipziger Universitätsbibliothek aus Ägypten, enthalten Antworten zu knapp 100 Fragen des täglichen Lebens. Sie sind Teil eines komplexen Orakels, das in zahlreichen antiken und mittelalterlichen Textfragmenten erhalten ist. Ist auch Ihre Frage dabei?

Referentin: Dr. Franziska Naether (Universität Leipzig)
Aufzeichnung des Vortrags vom 20. Oktober 2020