Mit Open-Source-Software durch die Krise

Sommersemester 2020: Webi- statt Seminare

Stell’ Dir vor, es ist Semesterbeginn und keine(r) geht hin …“, hieß es am 27. April 2020 hier im Blog der UB Leipzig. Der Beitrag deutete darauf hin, dass im soeben gestarteten Sommersemester 2020 alles etwas anders ist und sein wird: Homeoffice für die meisten Mitarbeiter*innen an der Universität Leipzig, Studierende, die an der Abschluss- oder Seminararbeit ausschließlich zu Hause arbeiten oder sich im Homelearning auf die Prüfungen vorbereiten müssen. Vorlesungen, Seminare und Übungen finden zwar noch statt, allerdings online unter Verwendung digitaler Infrastruktur. Diese Infrastruktur, die an der Uni Leipzig angeboten und durch das Rechenzentrum (URZ) oder die Universitätsbibliothek (UBL) administriert wird, ist in der jetzigen Situation von strategischer Bedeutung für die Fortführung des Universitätsbetriebes. Ein großer Teil der Infrastruktur an der Uni Leipzig wird dabei mit Hilfe von Open-Source-Software (OSS) betrieben – und dies aus gutem Grund.

Open-Source-Software

Open-Source-Software ist nur eines von sechs Prinzipien einer Offenen Wissenschaft (Open Science; die anderen sind Open Methodology, Open Data, Open Access, Open Peer Review und Open Educational Resources). Offen in diesem Zusammenhang meint, dass Daten, Methoden und Werkzeuge von jedem für jeden Zweck frei verwendet, verändert und weitergegeben werden können – höchstens mit der Einschränkung verbunden, dass die Herkunft ersichtlich und die Offenheit gewahrt bleibt. Für Open-Source-Software heißt das, dass deren Quelltext (engl. Source Code) von Dritten öffentlich eingesehen, geändert und weitergenutzt werden kann.

Mit der Nutzung und Entwicklung von OSS gehen mehrere Vorteile einher, die u. a. auch für die digitale Infrastruktur der Uni Leipzig von ausschlaggebender Bedeutung für den Einsatz von OSS sind. So erlaubt der Einsatz von Open-Source-Software eine klare Überprüfbarkeit datenschutzrechtlicher Vorgaben. Sobald proprietäre (d. h. nicht-quelloffene) Software personenbezogene Daten verarbeitet und mit dem Internet kommuniziert, können die Nutzenden (Studierende, Forschende und die infrastrukturgebenden Einrichtungen wie URZ oder UBL) nicht ohne Weiteres nachvollziehen, was die Software tatsächlich mit den geschützten Daten tut. Sie müssen sich stattdessen auf Verträge und Datenschutzerklärungen verlassen. OSS hingegen kann, dank der Quelloffenheit, von jedem jederzeit überprüft werden. Die vielen Skandale um Software wie Zoom, Microsoft Teams oder Skype haben gezeigt, dass das Misstrauen gegenüber privatwirtschaftlichen Unternehmen und deren proprietäre Softwarelösungen durchaus gerechtfertigt ist.

„OSS kann außerdem jederzeit an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden.“

OSS kann außerdem jederzeit an die eigenen Bedürfnisse angepasst werden. Deswegen ist sie nicht nur an Universitätsrechenzentren, sondern auch bei Forscher*innen sehr beliebt, weil die Software modifiziert werden kann und damit die Spezifika der eigenen Forschungsvorhaben abbilden kann. Darin liegt auch ein weiterer Vorteil des Einsatzes von Open-Source-Software an Universitäten und Forschungseinrichtungen:

Durch OSS wird der Prozess der Forschung nachvollziehbarer und reproduzierbarer, da die zugrundeliegenden Algorithmen studiert werden können und die frei zur Verfügung stehende Software zur Reproduktion von Forschungsergebnissen genutzt werden kann. Und dass Universitäten gänzlich auf den Einsatz von Open-Source-Software setzen und dies funktionieren kann, hat erst neulich die Universität Osnabrück gezeigt, deren digitale Infrastruktur für die Lehre komplett auf Open-Source-Software aufbaut.

Webkonferenzen – wer braucht schon Zoom?

Auch an der Uni Leipzig kommen viele Open-Source-Anwendungen zum Einsatz, zum Beispiel um Videokonferenzen durchzuführen. Die meisten Studierenden und Mitarbeiter*innen an der Uni Leipzig werden sicherlich in den vergangenen Monaten Big Blue Button (BBB) oder Jitsi im Rahmen der digitalen Lehre für Webinare, Teamsitzungen oder virtuelle Treffen genutzt haben. Das URZ hat für BBB und für Jitsi eigene Server aufgesetzt, die von allen Angehörigen und Mitarbeiter*innen genutzt werden können. Insofern bietet die Uni Leipzig mit Jitsi und BBB eine charmante, da quelloffene Alternative zu Zoom an, dem aktuellen Marktführer unter den Videokonferenzlösungen.

Die seit vielen Jahren an der Uni Leipzig genutzte und unter den Studierenden allseits bekannte Kursmanagementsoftware Moodle steht ebenfalls unter einer Open-Source-Lizenz. Wer den Cloud-Speicher der Uni, die Speicherwolke, nutzt, verwendet auch hier freie Software: Nextcloud für die Datenverwaltung und Collabora Online Office für die Bearbeitung von Text- oder Tabellendokumenten im Browser.

Softwareentwickler*innen versionieren ihren kollaborativ erstellten Softwarecode mit Hilfe der GitLab-Instanz am URZ. GitLab ist im Gegensatz zum weltweiten Marktführer für die Softwarecodeversionierung und -verwaltung, GitHub, frei verfügbare OSS und kann deshalb vom URZ den Angehörigen und Mitarbeiter*innen an der Uni Leipzig angeboten werden. Dabei nutzen nicht nur Softwareentwickler*innen GitLab, das mittlerweile auch von Forschenden und Studierenden zum Verwalten der Dokumente und Daten für Abschlussarbeiten verwendet wird. Den neuesten Zugang in der Runde der OSS-„Familie“ an der Uni Leipzig bildet die Chat-Software Rocket.Chat, für die ebenfalls eine eigene Instanz am URZ aufgesetzt wurde und die zur Kommunikation im Team eingesetzt wird .

Universitätsbibliothek Leipzig – digital autonom

Die Universitätsbibliothek Leipzig setzt ebenfalls seit Jahren konsequent auf den Einsatz von Open-Source-Software, was wiederum ein wesentlicher Grund dafür war, dass die UBL im Jahr 2017 zur Bibliothek des Jahres gekürt wurde. Für die Benutzerschnittstelle zum Katalog, die Katalogwebseite, kommt die OSS VuFind zum Einsatz. Mitarbeiter*innen der UBL sorgen mit Kolleg*innen in den USA und anderen Ländern für die Weiterentwicklung der Software.

Ähnlich verhält es sich bei der IIIF-Technologie. Digitalisate an der UBL werden zum einen mit Hilfe von IIIF (International Image Interoperability Framework) für Nutzende über einen eigenen IIIF-Server zugänglich gemacht. Zum anderen sind Mitarbeiter*innen der UBL aktiv an der Weiterentwicklung eines IIIF-Viewers, Mirador, im Rahmen des Projekts Handschriftenportal involviert.

Aber nicht nur die fertigen Digitalisate werden unter Verwendung von OSS angezeigt, auch bei deren Entstehung greift die UBL auf freie Software zurück und nutzt hierfür Kitodo, eine quelloffene Softwaresuite für die Kulturgutdigitalisierung. Mitarbeiter*innen der UBL entwickeln auch für die Nutzung von Kitodo Software, die selbstverständlich auf dem UBL-GitHub– oder –GitLab-Konto zur Verfügung gestellt wird. Und zu guter Letzt wird auch der Publikationsserver der Uni Leipzig unter Verwendung von OSS (Qucosa) betrieben.

FOLIO – The Future Of Libraries Is Open

Ein weiteres nagelneues und gleichzeitig sehr ambitioniertes Open-Source-Projekt ist die Entwicklung einer kompletten Library-Service-Platform (LSP) namens FOLIO unter quelloffener Lizenz. Eine LSP ist eine integrierte Software für das Management aller wesentlichen Vorgänge innerhalb einer Bibliothek. FOLIO (the Future Of Libraries Is Open) wird unter dem Dach der Open Library Foundation entwickelt, die auch die bereits erwähnte VuFind-Entwicklung überschaut. Die UBL beteiligt sich an der FOLIO-Entwicklung im Rahmen einer App-Suite zur Verwaltung elektronischer Ressourcen.

Aus diesem Grunde ist die UBL im Jahr 2018 als erste deutsche Bibliothek der OLE-Community beigetreten und arbeitet dort zusammen mit anderen Bibliotheken und Dienstleistern aus dem Bibliotheksumfeld an der LSP der Zukunft: FOLIO. Wann genau FOLIO an der UBL zum Einsatz kommt, steht noch nicht fest. Dass es so sein wird, dagegen schon.

Offene Software statt Lizenzgebühren und Herstellerabhängigkeit

Einige der hier vorgestellten Softwareprogramme wurden aufgrund der Corona-bedingten Ausnahmesituation in diesem Semester erst in die digitale Infrastruktur der Uni Leipzig eingeführt (z. B. Jitsi, BBB, RocketChat). Andere Softwareprogramme erfuhren sicher einen Schub, was die Nutzungszahlen anbelangt (bspw. die Speicherwolke oder Moodle). Und wiederum andere haben im Hintergrund weiter konstant und zuverlässig ihren Dienst getan (z. B. das Katalogfrontend der UBL oder die vielen Webserver des URZ, die ebenfalls mit Hilfe von Open-Source-Software betrieben werden).

Was die Corona-Krise gezeigt hat und immer noch zeigt, ist, dass eine digitale Infrastruktur an einer Universität ohne den Einsatz von Open-Source-Software nicht mehr denkbar wäre. Mit den hier präsentierten Beispielen ist das Potenzial von OSS aber noch lange nicht erschöpft und es ergeben sich bei näherer Betrachtung noch vielerlei Möglichkeiten, proprietäre Software zu ersetzen und damit auch die Kosten für Lizenzgebühren und die Abhängigkeit von den herstellenden Unternehmen zu verringern.

Mit LibreOffice beispielsweise steht ein würdiger OSS-Ersatz für die Office-Produkte von Microsoft (u. a. Word, Excel, Powerpoint) zur Verfügung. LibreOffice ließe sich auch nahtlos in die bestehende Infrastruktur integrieren, nutzt doch das bereits vom URZ angebotene Collabora Online Office eben LibreOffice als Grundlage für die verschiedenen Büroanwendungen. Und ebenfalls könnte die allseits beliebte, aber leider proprietäre und momentan nur für Windows verfügbare Software für die Literaturverwaltung Citavi durch freie und für alle gängigen Plattformen verfügbare Alternativen wie JabRef oder Zotero ergänzt werden. Prinzipiell ließe sich sogar der gesamte Forschungsprozess unter Verwendung von Open-Source-Software gestalten, wie die UBL erst kürzlich im Rahmen eines Webinars am Beispiel des qualitativen, sozialwissenschaftlichen Forschungsprozesses ausgeführt hat.

Zusammenfassend können wir festhalten, dass Open-Source-Software aus der Infrastruktur der Uni Leipzig nicht mehr wegzudenken ist, in Forschung und Lehre auf breiter Basis eingesetzt wird und auch für uns an der UB Leipzig ein enorm wichtiges Kriterium für die von uns genutzte und entwickelte Software darstellt.

Sollten Sie weitere Fragen zur Thematik haben, wenden Sie sich gerne stellvertretend an das Open-Science-Office der UBL.

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